Saarbrücker Museum Schwarzbrot ist eine feine Sache

Saarbrücken · Wie Simon Matzerath, Leiter des Historischen Museums Saar, für seine Arbeit brennt und was sie alles umfasst.

Ob man ihn jetzt als „verrückt oder selbstgefällig“ beschreiben werde, fragt Simon Matzerath zuletzt. Interessant daran ist eine andere Frage: Wie er darauf kommt – der neue, seit Oktober 2016 herumwirbelnde Direktor des Historischen Museums Saar? Weil man seinen bemerkenswerten Aktivismus missverstehen könnte? Womöglich als Marketing in eigener Sache? Ach was. Weder noch.

Eigentlich hatten wir von Matzerath wissen wollen, wie die Alltagsarbeit in einem Museum mit sieben Vollzeitstellen aussieht. Was man dort tut, wenn man keine Sonderschau vorbereitet – zumal die künftig nur noch alle zwölf Monate (bislang alle neun) wechselt. Nein, keine Betriebsprüfung, sondern der Versuch, das Schwarzbrot der Museumsarbeit besser zu verstehen, die ganze Pflichtenpalette vor der Kür Ausstellung. Und so lag nun also ein zweiseitiges Papier, das er morgens noch schnell heruntergehackt hatte, vor ihm – eine Übersicht der rund 50 „Maßnahmen/Projekte/Aufgaben“, die ihn und sein Team gerade umtreiben. Der Fahrplan in die nähere Zukunft des Museums. Komplex, ambitioniert, zielgerichtet, verzweigt, zeitlich und personell aufwändig.

Als der Zweckverband Historisches Museum (mit dem Regionalverband und dem Land als Gesellschafter, die sich die Finanzierung im Verhältnis 80:20 teilen) 2016 einen Nachfolger ausguckte für die nach Gerhard Ames’ Ausscheiden über ein Jahr lang vakante Direktorenstelle, war oberstes Gebot: Wir wollen einen, der das Museum wahrnehmbarer macht und mehr Publikum zieht. Die Wahl fiel auf Simon Matzerath. Sein Paper dokumentiert, mit wieviel Verve und Esprit er den Auftrag umsetzt. Alleine 16 Einzelpunkte betreffen diverse Veränderungen im, am und um den Museumsbau. Ob nun ein neues Lichtkonzept mit 3-D-Wirkung für den tunnelartigen Bau. Ob dessen Außenhautsanierung, die Foyer-Neugestaltung samt neuer Schließfächer oder ein neues Textilmagazin. Letzteres zeigt pars pro toto, wieviel an einer Sache hängt: Matzerath ist zwar ein Mann schneller Entscheidungen. Der Rattenschwanz, den sie nach sich ziehen, aber ist das andere. Bislang sind die Textiliensammlung wie die übrigen Archivbestände in St. Ingbert eingelagert. Eine Motte, die sich dort einnistet, kann etwa eine Handwerkermontur aus dem frühen 19. Jhr. ruinieren – wenn die Materialien nicht geschützt sind. Handlungsbedarf!

Zu den originären Museumsaufgaben gehört neben dem Sammeln, Forschen, Inventarisieren, Ausstellen und Vermitteln auch das Bewahren der Exponate. „Schließlich müssen wir sie durch die nächsten Jahrhunderte bringen.“ Konkret erfordert das, spezielle Räumlichkeiten zu finden, klimatische sowie sicherheitstechnische Parameter zu klären und die Textilien dort fachgerecht  zu magazinieren. So ist es mit allem: Jede Baustelle zieht eine Reihe weiterer nach sich. Nehmen wir die ausstehende Digitalisierung von noch 23000 Bestandsobjekten. „Das wird 15 bis 20 Jahre dauern“, überschlägt der junge Direktor (35). Grund: Geld- und Personalmangel. Zwei Studentinnen sind als Mini-Jobber damit betraut. Seit 1999 die Sammlungsleiterstelle einkassiert wurde, blieb die Inventarisierung liegen. 7000 Objekte waren damals in einer Datenbank erfasst worden. Matzerath will da nun wieder ran. Genauso wie er die unzureichende Erforschung der Gestapozelle und der Bauhistorie des Schlosses in Angriff nehmen will. Ohne Kooperationspartner illusorisch. Weshalb er Kontakt hält mit den Historikern der Saarbrücker Uni und auf Masterarbeiten setzt. Desgleichen soll eine 2018 von seinem Haus organisierte Tagung zu Burgen und Schlössern der Region Forschungspotenziale abstecken und in einen Katalog münden. Matzerath brennt für seine Aufgabe. Fundiert in der Sache, niedrigschwellig in der Vermittlung – das ist sein Prinzip. In die Breite gehen ja, aber zugleich immer auch in die Tiefe.

Wenn er von der kommenden Sonderschau über die 25 wichtigsten Saar-Prominenten (ab 27. August) erzählt, leuchten seine Augen. Steigt man mit ihm hinunter in die Saargeschichte seit 1870 komprimierende Dauerschau, rückt er hier einen Rahmen zurecht, notiert dort einen Beschriftungsfehler. Gefragt, ob ihm ihr Umkrempeln nicht unter den Nägeln brennt, kommt als Replik „Jetzt nicht, weil das derzeit nicht effizient ist.“ Zwar will er die Textmengen reduzieren, alles lesbarer und dreisprachig machen und mit einer Computeranimation in die Saargeschichte seit 1815 einführen – Einschneidenderes sei erst später zu leisten. Den Förderverein belebt er gerade. Startet Marketing-Offensiven (typisch für den von ihm gepflegten Teamgeist ist, dass man das künftige Logo genauso wie die Kataloge selbst konzipiert und layoutet). Die „Disco-Beleuchtung“ in der unterirdischen Burg (,,die einzige eines Museums in ganz Deutschland“, wie er gerne betont) will er ersetzen durch eine, die die Ruinen selbst in Szene setzt. Auch möchte er Audioguides einsetzen und 360-Grad-Visualisierungen dessen, worauf man zu Renaissance-Zeiten hier unten blickte. Und kommt dann noch auf Sonderpräsentationen hier unten zu sprechen. Spannend. Will er aber erst publik machen, wenn „in trockenen Tüchern“. „Ich hasse es, gute Arbeit zu machen, von der niemand etwas mitkriegt“, sagt er beim Hinausgehen. Und dass das Museum 2020 schachmatt sei, wenn dessen Etat (1,25 Millionen Euro) bis dahin nicht steige. Weil dann der Ausstellungsetat durch Kostensteigerungen aufgefressen sei. Man nimmt ihm seine Zuversicht ab, dass das Museum bis dahin einen Sprung nach vorne gemacht hat. Und sich Wege finden werden, um neue Schatullen zu öffnen.

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