Literatur Lass mich dein Romeo sein!

Saarbrücken · Gerhard Falkner ist im Roman „Romeo oder Julia“, nominiert für den Deutschen Buchpreis, als Künstler unterwegs, der Seltsames erlebt.

 Erneut auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis: Autor Falkner.

Erneut auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis: Autor Falkner.

Foto: dpa/Arno Burgi

Lange schwarze Haare in der Badewanne, vom Badeschaum verklebt. Jemand war im Hotelzimmer, vermutlich eine Frau. Schriftsteller Kurt Prinzhorn, der in Innsbruck an einer PEN-Tagung teilnimmt, sieht das als ultimativen Beweis, dass ihm eine Frau auf den Fersen ist. Eine Stalkerin, die sich während seiner Abwesenheit Zutritt zu seinem Zimmer verschafft hat. Der Hotelchef hält das für unmöglich, die Polizei reagiert skeptisch, weil keine Wertgegenstände fehlen.

Doch dann vermisst Prinzhorn doch noch Wichtiges: seinen umfangreichen Schlüsselbund. Dazu persönliche Papiere und Arbeitsnotizen. Das erzählt er einer Teilnehmerin der Tagung, der er unverhohlen zeigt, dass er sie gern in seinem Hotelbett hätte. Doch die Dame fragt eher spöttisch, wozu er so einen Schlüsselbatzen brauche. Prinzhorn antwortet: eine Hälfte, um sich wegzusperren, die andere Hälfte, um sich wieder hereinzulassen.

Hier kommen mehrere neurotische Züge des Protagonisten zum Vorschein: sein Kontrollwahn, seine Paranoia und die vermutete Verfolgung durch eine Stalkerin, von der man nicht weiß, wie weit sie gehen wird. Alles deutet auf die wesentlich jüngere Jana Blanchefleur hin, die einst in seiner Berliner Wohnung überall schwarze Haare hinterließ. Mit ihr hatte er leidenschaftlichen Sex. Doch dann war es zu Ende.

Gerhard Falkner, 66, machte 2016 mit dem Romanwälzer „Apollokalypse“ auf sich aufmerksam und gelangte auf die Kandidatenliste für den Deutschen Buchpreis. Mit „Romeo oder Julia“ ist er auch in diesem Herbst dort gelistet. Sein Buch ist eine Mischung aus Kriminalstück und launiger Erzählung. Im Mittelpunkt steht eine Obsession. Prinzhorn hat sich an ein Gewitter vor Jahren erinnert, bei dem er es gerade noch aus der Gefahrenzone schaffte. Jana dagegen hat einen Vater, dem das nicht gelang – er wurde vom Blitz verbrannt und starb. Diese verquere Gegenüberstellung lässt Prinzhorn glauben, dass er Romeo sei und Jana Julia. In Moskau, wo er als nächstes hinreist, finden sich Zettel in seinem Zimmer, die mit einer Art Geheimsprache bekritzelt sind. Er gerät in einen Schlamassel mit zwei abstoßenden Prostituierten. Als die fort sind, steht an seine Hotelzimmertür gesprayt: „Romeo oder Julia: peng peng“.Klar ist, dass dies fortan keine romantische Geschichte mehr ist, sondern es um Leben und Tod geht.

Die Literaturkritik ist sich einig, dass Kurt Prinzhorn ein Alter Ego von Falkner ist, wenn auch ironisch gebrochen. Falkners Roman ist spannend, unterhaltsam – und verwunderlich. So benutzt er wie in einem Marketingprospekt sämtliche Herstellernamen meist luxuriöser Produkte: Umhängetasche, Brillen, Markenkleidung und Spirituosen. Man fragt sich unwillkürlich, ob Falkner von Firmen gesponsert wurde und sich revanchiert hat. Doch warum lässt ein Lektorat, sollte es das gegeben haben, solches durchgehen? Und hat ein Autor, der sich vor allem als Lyriker einen Namen gemacht hat, das nötig?

Weiter geht’s mit dem den Frauen außerordentlich zugeneigten Prinzhorn nach Madrid, wo der Schriftsteller an eine skurrile Geliebte, die mexikanische Adelige Elsa Maria Annunciacion de Chavez, gerät.  Ex-Frau eines Bankiers, fürchtet sie sich vor Ungeziefer jeder Art, aber nicht vor dem neurotischen Mann, der das Kroppzeug nebenher beseitigt. Prinzhorn verknüpft Beobachtungen, Erinnerungen und literarische Verweise zu einem immer enger werdenden Paniknetz. Weil es sich um einen Psycho-Krimi handelt, sei das Ende nicht verraten. Derweil erklärt Falkner in einer editorischen Notiz, alles habe sich tatsächlich so zugetragen. Nun ja.

Gerhard Falkner: Romeo oder Julia. Berlin Verlag, 272 S., 22 €.

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