Nachrufe Kulturpolitiker aus Passion: Zum Tod Hermann Glasers

Saarbrücken · Als der langjährige Nürnberger Kulturdezernent Hermann Glaser, der neben seinem Frankfurter Kollegen Hilmar Hoffmann wohl Deutschlands bekanntester kommunaler Kulturpolitiker war und nun knapp drei Wochen nach Hoffmann im Alter von 89 Jahren gestorben ist, 2005 zu einer Diskussionsrunde nach Saarbrücken kam, las er den Versammelten die Leviten.

 Hermann Glaser, Ex-Kulturdezernent und 15 Jahre lang Kulturausschuss-Leiter des Deutschen Städtetages. 

Hermann Glaser, Ex-Kulturdezernent und 15 Jahre lang Kulturausschuss-Leiter des Deutschen Städtetages. 

Foto: dpa/Daniel Karmann

Und machte deutlich, dass der Kultur in Kommunen keine Bittstellerrolle zukomme. Vielmehr müsse – neben der öffentlichen Hand – auch die Wirtschaft ein ureigenstes Interesse daran haben, Kultur zu pflegen. Weil das soziokulturelle Klima das wirtschaftliche maßgeblich prägt. Wer vor einem vollen Teller sitze, solle, sentenzte Glaser, nicht aus Mitleid teilen, sondern aus Klugheit (das heißt Eigeninteresse). Wie wahr.

An der Politik ließ Glaser damals kaum ein gutes Wort. Mit Blick auf ihre professionellen Worthülsenfabrikanten beschrieb er ihr Tun in Saarbrücken mit dem wunderbaren Bonmot „Inkompetenz-Kompensationskompetenz“. Als Glaser 1964 in seiner Geburtstadt Nürnberg SPD-Kulturdezernent wurde, machte er sich bald mit seiner Forderung nach einem „Bürgerrecht Kultur“ einen Namen. In seinen 26 Dezernentenjahren lag ihm wie Hilmar Hoffmann in Frankfurt die kultureller Teilhabe möglichst aller am Herzen. Dazu passte, dass er schon 1973 in Nürnberg das selbstverwaltete Jugendzentrum KOMM gründete und Glaser Jahre später, als der Freistaat Bayern nach einer Hausbesetzerdemo dort 140 Jugendliche verhaften ließ, die Chupze hatte, die damalige Regierung von Franz-Josef Strauß dafür laut und vernehmlich zu geißeln. Unter dem Titel „Nürnberger Massenverhaftung“ schrieb er dann sogar ein rororo-Bändchen darüber.

Später war er Vorsitzender des Deutschen Werkbunds und wirkte als Publizist ins Land hinein – etwa mit einer dreibändigen „Kulturgeschichte der Bundesrepublik“ oder einer Studie zur deutschen „Spießer-Ideologie“, die bereits im 19. Jahrhundert Hitler den Boden bereitet habe. Glasers Tod offenbart, dass die SPD seit ihm und Hilmar Hoffmann (sowie Julian Nida-Rümelin von 1998-2001 in München) keine Kulturdezernenten mehr von solchem Format hat. Das sagt viel.

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