Kulissen, Illusionsräume, Raumfolgen

Saarbrücken · Saarbrückens Stadtgalerie zeigt ab morgen mit Paul Morrison und Jost Münster zwei aktuelle Malereipositionen.

Gut möglich, dass es diese Ausstellung nicht gäbe, hätte Jost Münster vor 17 Jahren nicht einem südamerikanischen Kollegen im Württembergischen Kunstverein geholfen, eine dort gezeigte Arbeit fertigzustellen. Weil Münster damals in Stuttgart dann den zeitgleich ausstellenden Paul Morrison traf, der ihn dazu animierte, nach London zu gehen. Wo Münster heute noch lebt, während Morrison nach Sheffield weitergezogen ist, weil er London als zu anstrengend empfindet.

Mit den Freunden Münster und Morrison, die die Saarbrücker Stadtgalerie ab morgen in einer sehenswerten Doppelschau zeigt, kehren dort zwei konträre malerische Positionen in ein Haus ein, das einmal mehr Kapital zu schlagen weiß aus seiner schwierigen, zumeist schlauchartigen Raumanordnung. Auch diesmal sind wieder Arbeiten zu sehen, die zum Teil auf diese Räume hin entwickelt wurden. Auch dort, wo sie's nicht sind, bietet "New Neighbours" organische Raumfolgen.

Während der von der Konzeptkunst kommende Morrison (50) sehr grafische, großformatige Landschaftsformationen in einem geradezu schneidenden, scherenschnittartigen Schwarzweiß kreiert, spielt Münster (1968 in Ulm geboren) in seiner abstrahierenden Malerei mit einer Illusion von Raumerfahrung, die Morrison zu negieren scheint. Münster huldigt vor allem in seinen neuen, aus bemalten, teils besprühten Farbkarten collagierten Kleinformaten einer Form kalkulierter, ästhetisch wohlaustarierter Improvisation. Wohingegen Morrison absolute Akkuratesse zur Schau stellt und dabei nichts dem Zufall überlässt. Insoweit bildet "New Neighbours" zwei auf markante Weise differierende malerische Modi ab, was den Reiz der Schau ausmacht.

Morrisons Großformate erweisen sich bei näherem Hinsehen als ergiebige bi-polare Konstellationen: Auf exzessive Weise - der getriebene, technische Malaufwand ist nicht zu unterschätzen - zele brieren sie eine alles versiegelnde Flächigkeit, unterlaufen diese aber ein Stück weit durch ein Antäuschen von Tiefe. Es ist eine computergestützte Malerei, bei der die Vorlagen per Beamer auf die Leinwand geworfen werden, wobei der eigentliche, handwerklich äußerste Präzision verlangende Bildprozess damit erst beginnt. An ihre Grenzen stößt diese Kunst da, wo sie wie im letzten Raum nur durch schiere Größe blenden will. Morrisons Arbeiten konfigurieren Landschaften, die virtuelle wie reale Anleihen enthalten: Paaren sie doch Versatzstücke, die Comics oder Disney-Zeichentrickfilmen entlehnt scheinen, mit feingliedrigen Fauna-Studien, die an Karl Blossfeldts S/W-Botanikfotografien erinnern. Wobei die interessantesten Arbeiten des Briten, dessen Werke längst in großen Museen hängen, jene sind, die unter dem Titel "Black Grass" für Saarbrücken neu entstanden sind. In einer Kleinformat-Serie findet Morrison da zu einer monochromen Malerei, die auf tief-grauem Grund nachtschwarze Pflanzensilhouetten formt, die erst beim Herantreten an diese grauen Gevierte überhaupt Gestalt annehmen (und ihr Geheimnis offenbaren).

Im Obergeschoss bezwingen die beiden Jost Münster vorbehaltenen Räume: Im langgezogenen ersteren hängen zur Linken acht Großformate, wobei sich beim Betrachten der labyrinthisch anmutenden Arbeiten eine Art Überblendung von Frontal- und Vogelperspektive einstellt. Rechterhand leitet ein Hängeobjekt aus Bambus und Leinwandresten, das wie eine Zeichnung im Raum wirkt (und die einzige, hier gezeigte Plastik Münsters ist neben seiner wunderbaren, wie ein Raumteiler fungierenden Arbeit "To the left") zum Motivgerüst des zweiten, fast meditativ wirkenden Raums über. Dort begegnet man einem interessanten, ergiebigen Ansatz von künstlerischem Selbst-Recycling, der in einem Zirkelverfahren Drei- in Zwei- und die abermals in Dreidimensionalität (rück-)überführt. Münster entwirft geometrische Strukturen aus zerschnittenen, von ihm bemalten Farbtonkarten, die er auf die farbflächig bearbeitete Leinwand aufklebt. So entstehen kleinteilige, mal gitterartige, mal bahnenförmige, farbkompositorische Arrangements, die diese Bilder in die Nähe plastischer Objekte rücken. Sind sie doch - so schließt sich der Kreis - von Stadtarchitektur inspiriert. Von Fassaden, Kulissen, Raumfolgen.

 Paul Morrisons großformatige Acyrl-Malerei ,,Black Light”. Fotos: Stadtgalerie

Paul Morrisons großformatige Acyrl-Malerei ,,Black Light”. Fotos: Stadtgalerie

 Drei Arbeiten aus Jost Münsters 2016 entstandener Serie „Cavu“.

Drei Arbeiten aus Jost Münsters 2016 entstandener Serie „Cavu“.

Vernissage morgen Abend um 19 Uhr. Zu sehen bis 30. April (Di bis Fr: 12-18 Uhr; Sa und So: 11-18 Uhr).

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