Kulturfestival-Neuordnung im Saarland Klassik und „Colors of Pop“ sollen fusionieren

Saarbrücken · Die Landesregierung hat ihre Pläne zur Musikfestival-Landschaft Saar überdacht. Das 2017 aufgelegte Popfestival liegt auf Eis, dessen Kopf Thilo Ziegler scheint abserviert. 2020 wird’s was ganz Neues geben.

 Für Nachwuchsbands wie „Zesura“ – hier bei einem Auftritt im Kurzen Eck – bot das Saarbrücker Festival „Colors of Pop“ 2017 eine Plattform. Seine Inhalte sollen in einem größeren Festival aufgehen. 

Für Nachwuchsbands wie „Zesura“ – hier bei einem Auftritt im Kurzen Eck – bot das Saarbrücker Festival „Colors of Pop“ 2017 eine Plattform. Seine Inhalte sollen in einem größeren Festival aufgehen. 

Foto: Capadol/Festival "Colors of Pop"/Capadol

Was ein Ministerpräsidenten-Wechsel alles so möglich macht: Die Festival-Uhren im Saarland werden nicht auf Null gestellt, aber gänzlich neu justiert. Aber sie beginnen wohl erst wieder 2020 einigermaßen verlässlich zu ticken. Zunächst läuft vieles anders als erwartet: 2018 wird es, anders als von der damaligen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) versprochen und sogar in einem Kabinettsbeschluss festgehalten,  kein neues Klassikfestival geben. Und auch die zweite Ausgabe des erst 2017 vom SPD-Kultusminister Ulrich Commerçon aufs Gleis gesetzten Festivals  „Colors of Pop“ wird erst mal auf Eis gelegt. Dies ergaben SZ-Recherchen. Der Grund?

Die Landesregierung denkt jetzt in eine ganz neue Richtung: cross­over. „Ministerpräsident Tobias Hans ist gegenüber unseren Überlegungen offen, Klassik- und Popfestival zusammenzuführen, um alle zwei Jahre etwas Größeres daraus zu machen und um Synergien zu nutzen.“ So äußerte sich der Kultusminister gestern auf SZ-Nachfrage. Die Landesmittel für die beiden Festivals sollen zusammengeführt werden, so der Minister, der Etat läge dann bei 600 000 Euro. „Das Konzept steht noch nicht fest, es wird jetzt von meinem Haus erarbeitet. Commerçon schwebt ein alle Musiksparten und Genres übergreifendes Landesmusik-Festival nach dem Modell der Landeskunstausstellung vor: „Wir könnten dem Puls der Zeit nachspüren.“ Bei dem für „Colors of Pop“ definierten Markenkern und Profil soll es bleiben: nachwuchsorientiert, urban, grenzüberschreitend deutsch-französisch. Commerçon möchte für das Doppelfestival einen „Wettbewerb der Ideen“ ausschreiben. Die Erstausgabe könnte 2020 sein.

Alles im Fluss, mal wieder. Seit 2015 schaukelt die hiesige Musikfestival-Landschaft in unruhigen Wassern. Damals entzog das Land den alteingeführten Klassik-Musikfestspielen Saar von Robert Leonardy die Landesmittel. Überholt, man brauche Bunteres, Frischeres, befand der Kultusminister. Mit dem bei Leonardy eingesparten Geld kreierte er „seine“ Festspiele: „Colors of Pop“. Als Festivalchef für die Biennale engagierte er den Konzert-Profi Thilo Ziegler („Rocco del Schlacko“, „Electromagnetic“). Die E-Musik-Szene reagierte verschnupft, die damalige Ministerpräsidentin fühlte sich zur Retterin der Klassik berufen und servierte als Trostpflaster ihre Idee eines neuen, hauptsächlich mit Kulturgeldern aus der Staatskanzlei finanzierten Klassikfestivals, das ebenfalls alle zwei Jahre stattfinden sollte, im Wechsel mit „Colors of Pop“.

Als Wunschkandidaten für die Festivalleitung hatte man sich in der Staatskanzlei den neuen Staatstheater-Intendanten Bodo Busse ausgeguckt. Doch irgendwie blieb es dann doch ein ungeliebtes Kind, dieses neue Festival. Vorschläge, Konzepte, Verantwortlichkeiten schwappten offensichtlich Monate lang zwischen Kultusministerium und Staatskanzlei hin und her. Irgendwann riss der Gesprächsfaden, dann wohl auch der Geduldsfaden des Kultusministers. Schließlich war das Klassikfestival ja nicht seine Erfindung. Das Ergebnis: Alle Kommunikationstore nach außen wurden verriegelt, Funkstille herrschte auch gegenüber dem potenziellen Festivalchef. Auf SZ-Nachfrage lässt Bodo Busse über eine Sprecherin mitteilen, mit ihm seien „keine weiteren Gespräche“ geführt worden. Alles blieb also offen.

Doch auch „Colors of Pop“-Erfinder Thilo Ziegler fühlt sich kommunikativ  abgehängt. Er kenne keinerlei Neu- oder Umplanungen, sagt er auf SZ-Nachfrage. Er habe weder einen Auftrag noch einen Vertrag, um die zweite Ausgabe von „Colors of Pop“ vorzubereiten. Viel mehr will er nicht sagen, nur noch, dass „der Spaßfaktor gen Null tendiert“. Ohne viel Phanatasie lässt sich das übersetzen: Es dürfte schwer werden, Ziegler noch einmal ins Boot zu holen. Dabei könnnte das durchaus anstehen. Denn der Minister hält einen Plan B für den Fall bereit, dass es dann doch nicht klappen könnte mit der Umformatierung der beiden Festivals in ein Großevent 2020.

Für diesen Fall würde Commerçon dann doch „Colors of Pop“ nochmal auflegen, meint er. Das wäre 2019. Erfahrungsgemäß wäre es dann allerdings jetzt schon viel zu spät, um ein ansehnliches Programm auf die Beine zu stellen. Außerdem enthüllt der Minister, dass sich die Erstausgabe von „Colors of Pop“ immer noch „in der Evaluierung“ befinde. Dabei hatte man aus den Fehlern der Erstausgabe lernen wollen – und davon gab es etliche. Das Pop-Event sei ausbaufähig, hieß es in den Medien nach der Premiere. Einen Senkrechtstart hatte Ziegler nicht geliefert.

Doch sein Minister hing zunächst treu an ihm, und noch treuer stand der zur Koalitionsvereinbarung, ein eigenständiges Klassikfestival zu erfinden. Im August 2016 sprach Commerçon sich noch vehement gegen den von der Musikszene entwickelten Vorschlag aus, beide Festivals zu fusionieren. Um keinen Streit mit Kramp-Karrenbauer zu riskieren? Dabei sprach und spricht vor allem eines für den Verzicht auf eine reine Klassikreihe: die Weiterexistenz der Musikfestspiele Saar. Denn Robert Leonardy hat nach dem Rückzug des Landes nicht etwa frustriert die Segel gestrichen, er hat sein Erbe gesichert. Sohn Bernhard Leonardy übernahm das Ruder, 2019 beginnt eine neue Anti-Aging-Ära der Musikfestspiele unter dem Titel „New Generation“.

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