Party mit Kammermusik: „Klangrausch“ zieht in Saarbrücker WGs ein Klassik für alle: Das „Klangrausch“-Konzept

Saarbrücken · (dpa) Wer in ein klassisches Konzert will, muss sich fein anziehen, darf nicht husten, nicht reden und keinesfalls an den falschen Stellen klatschen. Sonst wird man böse angeschaut. Carolin Gstädtner (25), die in Saarbrücken Kulturmanagement studiert, kennt solche Vorurteile von Nicht-Konzertgängern. „Vor allem junge Leute fühlen sich davon abgeschreckt.“ Mit einem neuen Verein kämpft sie nun dagegen an: „Klangrausch“ organisiert kostenlose Auftritte von Kammermusikern in WGs und kombiniert sie mit Partys für junge Menschen. Das nächste „Vorspiel“ findet heute in Saarbrücken statt – dort, wo vor vier Jahren alles begann.

(dpa) Wer in ein klassisches Konzert will, muss sich fein anziehen, darf nicht husten, nicht reden und keinesfalls an den falschen Stellen klatschen. Sonst wird man böse angeschaut. Carolin Gstädtner (25), die in Saarbrücken Kulturmanagement studiert, kennt solche Vorurteile von Nicht-Konzertgängern. „Vor allem junge Leute fühlen sich davon abgeschreckt.“ Mit einem neuen Verein kämpft sie nun dagegen an: „Klangrausch“ organisiert kostenlose Auftritte von Kammermusikern in WGs und kombiniert sie mit Partys für junge Menschen. Das nächste „Vorspiel“ findet heute in Saarbrücken statt – dort, wo vor vier Jahren alles begann.

Damals zeigte ihr Kommilitone Philipp Krechlak ein Youtube-Video von einem Orchester, das in einer WG die Matthäus-Passion aufführte. „Das fanden wir ziemlich cool und wollten das auch machen!“, sagt Gstädtner. Schon lange hätte sie sich gefragt, warum so wenig Junge ins Konzert gehen, obwohl es für Studenten in Saarbrücken sogar kostenlos sei. Der spontane Einfall, mit befreundeten Musikern ein Konzert in der eigenen WG zu organisieren, das sich nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda herumspricht, entwickelte sich zur Erfolgsidee: Rund 150 bis 200 kommen seitdem zu den „privaten“ Events. Nicht nur in Saarbrücken, auch in Weimar, Koblenz und Rostock. In gemütlicher Atmosphäre, bei Bier und Wein, zwischen Küche und Balkon, bietet „Klangrausch“ die Chance, klassische Ensemblemusik ganz zwanglos kennenzulernen, ehe später ein DJ auflegt. Doch vorher gibt es immer vier Ensembles (Streicher, Bläser oder Sänger, Pianisten und Schlagzeuger), die ab 21 Uhr jeweils 20 bis 30 Minuten Klassik spielen. Auch Unbekanntes ist gewollt. „Wir möchten keine Singersongwriter präsentieren, sondern wirklich Klassik“, so Gstädtner. Deshalb hat sie mit Gleichgesinnten aus Weimar, Koblenz und Mannheim Ende April offiziell den Verein „Klangrausch Deutschland e.V.“ gegründet.

Nicole Schwarz, Leiterin des Masterstudiengangs Kulturmanagement an der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), hält „Klangrausch“ „für ein hervorragendes Format“, um einen Zugang zu klassischer Musik zu bieten. „Hier finden junge Leute alles, was sie gewohnt sind, wenn sie ausgehen: ungezwungene Atmosphäre, Gleichgesinnte, Party, gute Stimmung und natürlich Musik. Nur eben diesmal eine andere Richtung.“ Jörg Abbing, Organist und Musikwissenschaftler an der Saarbrücker Hochschule für Musik sieht darin die Tradition der „Schubertiaden“ aufleben, bei denen im 19. Jahrhundert Hochkultur in geselligem Rahmen dargeboten wurde: „In Zeiten, in denen wir alle unter dieser Trash-Kultur leiden und alles zur Hochkultur erklärt wird, ist es toll, dass man wieder ein Gefühl bekommt für Kultur und Niveau.“

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