Kammerkonzert an der Musikhochschule Jubel den luftwurzelschlagenden Musikern!

Saarbrücken · Von Jakob Leiner

Was Heinrich Isaacs „Dies Irae-Sequentia“ aus der Offiziensammlung „Choralis constantinus“ so ungeheuer sublimierte, war ein geschickt arrangierter Rollentausch im Ensemble. Übernahm hier ja mehrheitlich Ivo Bauer an der Viola die harmoniebestimmende Basslinie, während Matthias Moosdorf, der Cellist des aufspielenden „Leipziger Streichquartetts“, einer der Zwischenstimmen schöne Augen machte – der „Reichtum abendländischer Mehrstimmigkeit“ in einer überraschend widerstandsfähigen Form bei evozierter Verletzbarkeit.

Jedenfalls mit dem folgenden „Streichquartett Nr. 4“ von Jörg Widmann bekam die Sonntagsmatinée in der Saarbrücker Hochschule für Musik geradezu Transzendentalcharakter: Das Werk als Negativfilm der Tonalität, wenn durch ein „erkomponiertes“ Gitter aus Nebengeräuschen und Zwischentönen plötzlich doch die Passacaglia-Reihe tropft. Jubel den luftwurzelschlagenden Musikern!

Umso eindrücklicher kam die Vielgestalt der „5 Stücke für Streichquartett“ eines Deutschböhmen zur Geltung. Schulhoff beherrschte die Kunst der Motivausreizung beispielhaft. Wie selbstverständlich das Ensemble die Ästhetik seiner musikalischen Diktion greifbar machte, war eine Offenbarung. Abgerundet wurde das vorzügliche Programm des „IV. Saarbrücker Kammerkonzerts“ mit Dvoráks „amerikanischem“ Streichquartett F-Dur. Anklänge zuhauf natürlich an seine 9. Sinfonie, ein Traum das Geigenduett Conrad Mucks und Tilman Bünings im „Lento“, jenes Zwiegespräch eines heimwehgeplagten Ichs, die schmerzliche Schönheit des Sich-Selbsthabens als Heimatersatz in fremder Welt.

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