Autor und Filmemacher Georg Stefan Troller in Saarbrücken Der letzte wahre Flaneur von Paris

Saarbrücken  · Morgen liest Journalistenlegende Georg Stefan Troller in Saarbrücken.

 Nachts im alten Paris: ein Hotel an der Place Contrescarpe, das einzige Bild im Band von Georg Stefan Troller, das er damals, in den 50ern, gestellt hat. Doch die Wirkung gibt ihm recht.

Nachts im alten Paris: ein Hotel an der Place Contrescarpe, das einzige Bild im Band von Georg Stefan Troller, das er damals, in den 50ern, gestellt hat. Doch die Wirkung gibt ihm recht.

Foto: Georg Stefan Troller

Vielleicht überrascht es am meisten, dass es kein 1000-Seiten-Wälzer wurde, kein Opus magnum, kein Generalresümee eines beinahe 100-Jährigen. Bei all dem, was Georg Stefan Troller erlebte, all den Menschen, die er traf, beschrieb, fürs Radio und später auch fürs noch junge Fernsehen skizzierte, könnte er gewiss leicht eine ganze Bibliothek mit seinen Erinnerungen füllen. Doch es ist ein schmaler Band, 170 Seiten – ein Buch, leicht genug, dass ein notorischer Flaneur wie er es in die Tasche stecken kann, ein Vademecum, das nicht beschwert, aber eben doch von reichlich Gewicht, liest man darin, studiert die Fotografien.

„Ein Traum von Paris“ heißt es – und Troller, diese Journalistenlegende (denn, wen sonst wollte man heute noch so nennen?), kommt nun dank der Heinrich-Böll-Stiftung, der Buchhandlung St. Johann und dank SR2 Kulturradio am Donnerstag nach Saarbrücken. Und man darf von diesem Abend wohl gar nicht genug erwarten. Erinnert man sich nur, wie besonders das war, wenn Trollers „Pariser Journal“ das Fernsehen schlagartig erhellte, eine Insel des Geistes im sonstigen Bildschirmflirren.

Für seinen Band hat der heute 97-Jährige tief in frühen Texten geschürft. Und seine Tochter spürte Schwarzweiß-Aufnahmen von ihm aus den 50ern wieder auf. Manchmal können eben auch Scheidungshinterlassenschaften (die Fotos blieben in einer früheren Wohnung zurück) ein Glücksfall sein, lehrt das Buch. Es sind Bilder eines von vielen längst vergessenen, in Teilen auch verdrängten Paris. Sie fokussieren die Plätze der kleinen Leute in der Großstadt, die Clochards am linken Seine-Ufer fern jeder Rive-Gauche-Extravaganz, zeigen die Schäbigkeit der Durchgänge und Gassen. Und sie hielten gewissermaßen auch die Vorzeit der Vororte fest, bevor die Metropole sie sich einverleibte. So entsteht auch das Paris wieder, bevor der Gloire-süchtige Sozialist Mitterand in den 80er Jahren mit großer Geste die Kapitale aufpolieren, Skulpturen und Kuppeln vergolden ließ. Und der Marais noch nicht schick und zu Tode saniert war.

Trollers Textminiaturen aus den 60ern und 70ern, mal Prosa, mal Gedicht, spiegeln dazu wunderbare Begegnungen wie mit der großen Barbara. Aber er gibt auch einem alten Pariserhaus Stimme, lässt es, „schmächtig“ mit „hageren Mauern“, ein „Schneckenhaus“ für seine Bewohner, sprechen. Und gleichwohl diese Wortkunst ganz und gar unsentimental daher kommt, ist sie auch eine Liebeserklärung an diese Stadt.

Dabei hat Paris Georg Stefan Troller nicht im Sturm erobert; er blickte erst skeptisch auf diese Stadt. Vielleicht, weil der Sohn eines jüdischen Pelzhändlers zunächst nicht freiwillig kam, auf der Flucht war vor den Nationalsozialisten, aus seiner Heimatstadt Wien vertrieben wurde. Nach Kriegsende, Troller war zwischenzeitlich in die USA emigriert und dann als GI nach Europa und an die Front zurückgekehrt, wagte er einen zweiten Versuch mit der französischen Hauptstadt, der bis heute andauert. Mit einer Leica um den Hals, die er einem deutschen Soldaten im Elsass in den vorletzten Kriegstagen abnimmt, zieht er los und streift immer und immer wieder durch Paris. Seine Aufnahmen und Worte befriedigen nie die Postkartensehnsüchte nach der Seine-Stadt, sie sind oft sogar ernüchternd, spiegeln den Abglanz der Lichterstadt –  aber sie sind wahrhaftig.

 Fast ein ganzes Jahrhundert überblickt Georg Stefan Troller (97) mittlerweile.

Fast ein ganzes Jahrhundert überblickt Georg Stefan Troller (97) mittlerweile.

Foto: Norbert Schmidt/Corso Verlag/Norbert Schmidt

Georg Stefan Troller: Ein Traum von Paris. Corso, 176 Seiten, 19 Euro.
Lesung: Donnerstag, 13. September, 19.30 Uhr, auf dem Saarbrücker Halberg, SR-Konferenzgebäude. Karten unter
Tel. (06 81) 95 80 54 64.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort