Neue DVD von Pidax Film „Jetzt wird gezeugt – und damit Basta!“

Saarbrücken · So sah einst die Zukunft aus: Der TV-Film „Dreh Dich nicht rum – Der Golem geht um“, neu auf DVD, erzählt von einer Welt des Müßiggangs – und der Verblödung.

 Turnstunde bei der Zwangsfreizeit des Vergnügungsstaates.

Turnstunde bei der Zwangsfreizeit des Vergnügungsstaates.

Foto: Pidax

Rente mit 70? Darum muss sich hier niemand sorgen – es gibt Frührente für alle. Dank der Automatisierung der Arbeit hat man es im 23. Jahrhundert  von der Drei-Stunden-Arbeitswoche zur weniger aufreibenden Ein-Stunden-Variante geschafft. Doch diese neue Welt ist nur scheinbar schön: Der Müßiggang ist penibel geregelt von der „Weltfreizeitzentrale“: Da muss man etwa zum Yoga nach Kapstadt sausen, ob man nun will oder nicht. Und die Fortpflanzung im traditionellen Sinne ist nicht jeder „Zeugungsgemeinschaft“ gestattet, es gibt da gewisse „selektive Verfahren“.

1971 entstand dieser Fernsehzweiteiler „Dreht Euch nicht rum – der Golem geht um“, den die Riegelsberger DVD-Firma Pidax jetzt für das Heimkino veröffentlicht. Regisseur Peter Beauvais (1916-1986, „Deutschstunde“, „Ein fliehendes Pferd“) entwirft, nach einem Drehbuch von Dieter Waldmann, eine Welt des Konsums und des Müßiggangs; der dient aber nicht der persönlichen Entwicklung, sondern dem kollektiven Zeittotschlagen. In wallenden Gewändern (die Frauen meist ohne BH) wandeln die blondierten Zukunftsmenschen durch sterile Plastikwohnungen, räkeln sich auf großen Betten mit Flokati-Bezug, an der Zimmerdecke pulsiert ein Riesenbildschirm.

Eigentlich ist Sig Prun (Martin Benrath) damit glücklich, schließlich kümmern sich um ihn drei Gattinnen. Doch dass der Staat ihm ein Kind verweigert, weil sein Intelligenzquotient eher mittelprächtig zu sein schein, setzt seinem Ego zu. „Jetzt wird gezeugt – und damit basta!“ Den dabei entstandenen Sohn Botho will er allerdings nicht erziehen, denn der Freizeitstress lässt ihm einfach keine Zeit. Wie gut, dass ein Bekannter an einem Intelligenzverstärker arbeitet, auch wenn das eigentlich verboten ist – totalitäre Staaten haben ja wenig Interesse an mündigen Bürgern. Doch der Apparat macht aus dem tumben jungen Mann einen großen Fragensteller: Warum ist die Welt so, wie sie ist? Und wäre sie anders nicht sinnvoller? Fragen, die ihn in Gefahr bringen.

„Golem“ ist sichtlich kein Kinofilm, sondern Fernsehen aus alten Tagen. Da wird sehr viel Exposition über Dialoge vermittelt, und zumindest die erste Hälfte dieses Zweiteilers wirkt fast theaterhaft und mit seinen wenigen Kulissenräumen sogar etwas beengt – passenderweise, beschreibt er doch eine Welt des Immergleichen und Austauschbaren.

Heute würde man wohl etwas flotter erzählen, aber „Golem“ lohnt sich: Grundlegend der Schauspieler wegen (Martin Benrath als Pascha-Spießer der Zukunft, Hannelore Elsner, Dietrich Mattausch) und der Konsequenz, mit der der Film seine Prämisse durchspielt und dabei auch einen überraschenden Humor demonstriert: Da die natürliche Fortpflanzung ein Nischenprogramm ist, kommt es zu Dialogen wie diesem: „Lass das mal nicht Deine Eltern hören!“ „Ich hab‘ keine, ich bin ein Retortenkind.“ Die gelangweilten Konsumbürger entdecken für sich die nicht allzu schmerzhafte Selbstauspeitschung („Es lebe der Masozynismus!“), während die Jugend ein wenig gegen das Nichtstun aufbegehrt, „arbeitsähnliche Zustände“ fordert  und „Sachen machen! Sachen machen!“ skandiert. „Golem“ erzählt satirisch zugespitzt von einer Welt des Überflusses, der mangelnden  Empathie und der ichbezogenen Verblödung – so gesehen passt der Film von 1971 auch noch in unsere Gegenwart.

DVD bei Pidax. www.pidax-film.de

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