Jazzfestival Jazz-Entdeckung im Dschungel der Stile

Nancy · Nancy Jazz Pulsations: Sarah McKenzie pflegt die Tradition.

Als sie mit ihrem feinen Septett Jerome Kerns Song-Klassiker „I‘m Old Fashioned“ anstimmt, legt die Sängerin und Pianistin zugleich ein stilistisches Glaubensbekenntnis ab: Sarah McKenzie hat‘s nicht so mit der Avantgarde. Und den Zeitgeist macht die Australierin nur zu ihrem musikalischen Verbündeten, wenn er seine jazzgeschichtlichen Wurzeln nicht verleugnet. Die bislang in Europa weitgehend unbekannte 29-Jährige sorgte mit ihren fähigen Begleitern in Nancys Salle Poirel für einen frühen Höhepunkt der aktuellen Jazz Pulsations.

Schön dass die Nancy-Macher den antizyklischen Mut aufbringen, bei einem vor allem neuzeitlichen Strömungen verpflichteten Festival auch der Modern Jazz Tradition eine Nische im Programm zu reservieren. Sarah McKenzie und ihre Partner (drei Bläser und Rhythmusgruppe) musizieren nicht getrieben vom Ehrgeiz, das Rad neu zu erfinden. Was jedoch bestach, war die Frische und Leichtigkeit der Interpretation, der sie Heimeligkeit und Fröhlichkeit einhauchten. Der Bandleaderin helles, klares Timbre, ihre anmutige Pianistik und das reiche Ausdrucksvermögen ihrer Band schufen eine heitere Atmosphäre. Miss McKenzie nutzte die Gelegenheit, für ihr neues Album „Paris In The Rain“ zu werben. Dessen Repertoire – Standards und Eigenkompositionen, die so vertraut klingen wie Evergreens – bildet im Wesentlichen auch das Bühnenprogramm. Die Arrangements McKenzies setzen ein sicheres Gespür für Klangästhetik um und kommen in einem entspannten, luftigen Duktus daher. Folgerichtig geizte das Poirel-Publikum nicht mit Begeisterungsbezeugungen.

Scharfe programmatische Kontraste, davon lebt seit vielen Jahren das NJP Programm. Vor Sarah McKenzies swingender Performance durfte sich der junge hochveranlagte Tigran Hamasyan als musikalische Ich-AG inszenieren. In der Musik des armenischen Pianisten bündeln sich Jazz, europäische Romantik, progressiver Rock und heimische Folklore. Allerdings ist Hamasyan nicht frei von Ausschweifungen: Seine Zugabe ließ er auf die Länge einer Symphonie ausufern. Und wenn einzelne Phrasen wieder und wieder repetiert wurden, fiel die Spannung ab. Das tat der Begeisterung des größtenteils jungen Pulbikums jedoch keinen Abbruch.

Was gibt‘s sonst noch bei den diesjährigen Pulsations? Sortenvielfalt ohnegleichen. Würde sich jemand im Oktober zehn Tage in Nancy einquartieren und alle Konzerte besuchen, er oder sie erhielte einen Crashkurs über den Farbenreichtum der klingenden Idiome diesseits der E-Musik. Bis am Samstag der letzte Vorhang bei den Pulsations fällt, stehen noch ein paar Jazz-Attraktionen im Théâtre de la Manufacture ins Haus: Startrompeter Wallace Roney (heute) und der originelle neuseeländische Pianist Aron Ottignon (Freitag, jeweils 20 Uhr) gastieren noch.

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