Kolumne: Nostalgisch „Heißes Gerät“ oder Alterslosigkeit im Faltenrock?

Früher war alles besser. Oder doch nicht? Beim Rückblick auf die 70er, 80er und 90er werden SZ-Redakteure „nostalgisch“. Heute geht‘s darum, wie wenig aufregend Schule damals sein konnte.

Kolumne: Nostalgisch: „Heißes Gerät“ oder Alterslosigkeit im Faltenrock?
Foto: SZ/Robby Lorenz

Ab und an überrascht einen der Nachwuchs in den Aufladepausen seiner diversen mobilen Endgeräte noch mit etwas, was man im weitestem Sinne Kommunikation nennen könnte. Vor ein paar Wochen etwa damit: Seine Lehrerin sei ein „heißes Gerät“. Als zeitgemäß gegenderter Erziehungsberechtigter habe ich den Nachwuchs natürlich darauf hingewiesen, dass man, erstens, so nicht über Pädagoginnen zu sprechen habe. Und, zweitens, habe ich mir den nächsten Elternsprechtag vorgemerkt.

Wobei mir sofort durch den Kopf schoss, dass man zu meiner Schulzeit für den Lehrkörper, ganz gleich ob nun aus männlichem oder weiblichem Blickwinkel begutachtet, selten mal das Prädikat „heißes Gerät“ hätte vergeben wollen. Genau genommen nie. Studien- und zumal Oberstudienrätinnen und -räte schienen damals mit Eintritt ins Lehramt auf ewig gefühlte 50 zu bleiben. Egal, ob man selbst Sextaner war oder irgendwann mit reichlich Glück Primaner. Unsere Französisch-Lehrerin etwa war die personifizierte Alterslosigkeit im Faltenrock. Französisch sei die Sprache Voltaires, bekundete sie gern. Das war uns natürlich ein unglaublich motivierender Lernanreiz. Aber welche Überraschung dann für uns, dass auch Sophie Marceau Französisch sprach. Ein rechtzeitiger Hinweis darauf hätte unseren Lernkurven wohl andere Gipfel bescheren können.

Der Erdkundelehrer hingegen trug sommers wie winters Sandalen und eine ausgebeulte Hose, deren über die Jahre stetig anwachsende Lehmflecken den Fortgang seiner privaten Ausgrabungsarbeiten dokumentierten. Und den Latein-Professor, ein Doktor gar, umwehte hartnäckig der Geruch von Hektographie-Tinte. Diesem Vervielfältigungsverfahren hielt er unverbrüchlich die Treue, obwohl auch in unserem Arbeiter- und Bauerngymnasium längst moderne Kopierer vorhanden waren. Wahrscheinlich wollte er aber die griechischen Wortwurzeln des Hektographierens hegen und pflegen, indem er seine Blätter mit der stinkenden bläulichen Tinte austeilte.

Mehr als einmal fragten wir uns, wo unsere Lehrer eigentlich ihre Garderobe erstehen. Sicher gab es damals Pädagogenfachgeschäfte für besonders gräuliche Oberbekleidung. Und trotzdem: Manchmal sehne ich mich wieder nach dem Geruch von Hektographie-Tinte und dem näselnden „gallia est omnis divisa...“ zurück. Dieser so unaufgeregten Wissens­einübung. Und dann staune ich, was diese langweiligen Pauker einem doch alles beibrachten. Ob das den „heißen Geräten“ heute auch so glückt?

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