Bürger-Ensemble des Staatstheaters zeigt „Babel“ Gemeinsam ahnungslos durchs Leben

Saarbrücken · In der Sparte 4 hatte „Babel“ Premiere, ein improvisierter Theaterabend mit dem Bürger-Ensemble des Staatstheaters.

 Mutig, neugierig, improvisationslustig: Mitglieder des „Bürger-Ensembles“ in dem Stück „Babel“ in der Sparte 4.

Mutig, neugierig, improvisationslustig: Mitglieder des „Bürger-Ensembles“ in dem Stück „Babel“ in der Sparte 4.

Foto: Martin Kaufhold

Bei einem klassischen Theaterstück hebt sich der Vorhang und das Stück beginnt. Bei dieser Premiere in der Saarbrücker Sparte4 gibt es aber gar keinen Vorhang. Braucht es auch nicht, denn bei „Babel“ geht die Show direkt am Eingang los. Noch bevor es der Besucher zur Kasse schafft, wird erstmal eine Linie samt Namen über seinem Kopf an die weiße Wand gezeichnet. Schilder auf dem Weg nach oben lassen existentielle Fragen auf die Besucher einprasseln. Eine Frau serviert Cornflakes direkt in die offenen Hände. Nur ein einzelnes Schild im Flur, ganz versteckt hinter der Garderobe, sagt das, was jeder denkt: „Ich bin verwirrt“. Das ist wohl auch Sinn und Zweck des Ganzen. Denn ist man auf dieser Welt, in diesem modernen Leben, mit all seinen offenen Fragen und Missverständnissen nicht sehr oft ziemlich verwirrt?

Will man dem Theaterstück (und der Bibel) Glauben schenken, so sind daran noch immer die Babylonier Schuld. Diese wollten einst einen in Babel einen Turm bis zum Himmel bauen, woraufhin Gott sie für ihren Übermut damit strafte, dass er allen eine andere Sprache gab und sie über den ganzen Erdball verteilte. Diese Sprachverwirrung trennt uns bis heute voneinander – so der Mythos –, und auch wenn wir mal die gleiche Sprache sprechen, reden wir doch oft genug aneinander vorbei. Wer kennt das nicht?

Da die Geschichte in der Bibel nach der Verteilung der Menschen in alle Himmelsrichtungen endet, macht sich das Ensemble auf, etwas zu finden, was uns Menschen verbindet. Das stellt sich als schwieriges Unterfangen dar, es wird gestritten, diskutiert, durcheinander geplärrt. So viel haben die Schauspieler auf der Bühne nämlich nicht gemeinsam. Konflikte werden ausgetragen, die bei dieser Bühnen-Improvisationen nicht nur gespielt sind. Denn das ganze Stück wurde vom Bürger-Ensemble des Saarländischen Staatstheaters in Workshops unter Anleitung von Regisseurin Luca Pauer erarbeitet. Kein Theater von oben herab also – über einen Zeitraum von drei Monaten wurde alles ausdiskutiert. In diesem Ensemble haben sich 14 neugierige Menschen aus dem Saarland zusammengefunden, die im Herbst einem Aufruf zu einer Suche nach Antworten gefolgt waren und sich auf das Experiment mit Luca Pauer eingelassen haben.

Am Schluss einigten sie sich auf ein Skript, trotzdem wird keine Aufführung wie die andere sein. Denn das Publikum ist gefordert, mitzuspielen. Im „Labor der Bedeutung“, einem Nebenzimmer gegenüber der Bar, soll es eigene Schilder mit Lebensweisheiten beschriften oder per Handzeichen Fragen der Schauspieler beantworten.

Was verbindet die Menschen? Im Publikum finden sich Gemeinsamkeiten, je nachdem wie man die Kategorien setzt. Letztendlich geht es um die fundamentaleste aller Frage: Was ist der Sinn des Lebens? Was machen wir überhaupt hier? Und was bleibt von mir, wenn wir am Schluss alle die Bühne verlassen? Antworten auf diese Fragen gibt es am Ende der Show nicht, was auch nicht zu erwarten war. Keine tiefen Einsichten, keine inspirierenden Slogans. Und das ist doch wieder etwas, das uns verbindet: Die Tatsache, dass wir alle letztlich meistens keine Ahnung haben.

Weitere Termine: Morgen, am Freitag und am 2./24./25. März in der Sparte 4 (Eisenbahnstr., Saarbrücken). Beginn: jeweils 20 Uhr. Karten: Tel. (06 81) 30 92 486.

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