Atelierbesuch Farbe, als „luftige Erscheinung“ begriffen

Saarbrücken · In loser Folge besuchen wir saarländische Künstler in ihren Ateliers: heute Dirk Rausch, der im KuBa ein Atelier hat und an der HBK die Siebdruckwerkstatt leitet.

 Dirk Rausch in seinem Atelier im Saarbrücker KuBa, wo er sich der Aquarellmalerei widmet.

Dirk Rausch in seinem Atelier im Saarbrücker KuBa, wo er sich der Aquarellmalerei widmet.

Foto: Oliver Dietze

Das Erste, was einem auffällt in der HBK-Siebdruckwerkstatt, hat mit Dirk Rausch nichts zu tun. Der mit Farbmustern übersäte Stoffdrucktisch. Arbeitsrückstände unzähliger Handgriffe darauf haben viel Zeit und Zufälligkeit gespeichert. Sofie Dawo (1926-2010), die bis 1992 an der Saarbrücker Kunsthochschule Textildesign lehrte, hat daran noch gedruckt, sagt Rausch. Die Siebdruckwerkstatt ist zwar nicht sein Atelier. Aber ein Stück weit doch. Ist er einem als Künstler doch durch seine aus der konkreten Kunst kommende Druckgrafik ein Begriff. Und die produziert er nun mal hier. Er müsse, schiebt Rausch gleich ein, da an der HBK nichts verheimlichen. Dass er auch mal in eigener Sache hier zu Gange ist, weiß das Rektorat.

Im zwölften Jahr leitet Dirk Rausch (42 und mit der Künstlerin Claudia Vogel verheiratet, mit der er einen neunjährigen Sohn hat) die Siebdruckwerkstatt. Sein Brotjob. Riesige Drucktische, Stoppbad und Dunkelkammer, viel Stau- und Ablagefläche: alles da. Und dazu reichlich Tageslicht, um Farbwerte und Qualität der Drucke zu begutachten: den Sättigungsgrad des Farbauftrags; die Makellosigkeit der Linienführung (bisweilen auch ihr Ausfransen); das Austariertsein von Flächen, Farben und Weißraum; den Kolorierungsgrad der sich überlappenden Farb­balken. „Ich mag Farbe als luftige Erscheinung – nicht als dicke Farbschichten, sondern als transparente Flächen, die zueinander kommen“, sagt Rausch. Weshalb denn auch von seinem Werk eine Klarheit und Zartheit ausgeht, die aus dessen Sparsamkeit, Genauigkeit und kompositorischen Ausgewogenheit erwächst.

Interessanterweise hat Rausch, seit zwei Jahren auch Vorsitzender des Saarländischen Künstlerbundes, „keine klare Vorstellung von einem Motiv“, wenn er einen ersten Farbbalken auf eine Folie druckt, die er dann auf der Bildvorlage hin und her schiebt, bis der kolorierte Streifen dort seinen Platz findet. Ehe weitere in diversen Druckgängen damit in Verbindung gesetzt werden und eine Gesamtkomposition gefunden wird. Anders als man vermuten könnte, belässt er es in seiner Druckgrafik bei Unikaten. Weil größere Auflagen, ja selbst Duplikate für ihn das einzelne Bild entwerten würden.

1975 im pfälzischen Baumholder in einen Lehrerhaushalt hineingeboren, kam Rausch 20 Jahre später zum Studium an die damals noch junge Saarbrücker Kunsthochschule. Schon als Kind entwickelte er ein Faible für Abstraktionen. Als er zur Konfirmation einen Aquarellkasten bekam, experimentierte er mit Farben, zeichnete gestaffelte Dachformen. 1998 fing er neben dem Studium in Jo Enzweilers Saarbrücker Galerie St. Johann – ein Hort der konkreten Kunst – zu jobben an. Zwölf Jahre lang war er dort „Mädchen für alles“. Nachdem der Meisterschüler von Sigurd Rompza sein HBK-Diplom hatte, übernahm er 2005 besagte Druckwerkstatt, wo er Druckkurse gibt und Studenten assistiert.

Und trotz Druckwerkstatt noch ein eigenes Atelier? Als ihn HTW-Professor Stefan Ochs im Vorjahr fragte, ob er bei ihm im Atelier im Saarbrücker KuBa mit einsteigen wolle, nahm Rausch an. Warum eigentlich? Zumal er dort nur seiner zweiten Herzensangelegenheit nachgeht: kleinformatiger Aquarellmalerei. Geht das nicht auch zuhause? Zumal, wenn man wie er „nicht gerne Farbe an den Händen hat“. Und sein Maltisch im KuBa penibel aufgeräumt ausschaut. Zuhause muss man, weil die Wohnung nicht übermäßig groß ist und keinen Rückzug erlaubt, immer alles aufräumen. Also hat er Ende 2016 im KuBa dieses großzügige, lichte Atelier mit Ochs bezogen. Kurioserweise fast Wand an Wand mit seiner Frau, die dort ebenfalls residiert. „Eigentlich hat meine Frau mir das KuBa schmackhaft gemacht“, sagt er.

Hinter ihm an der Wand im KuBa hängt ein Aquarell, das bestens dokumentiert, inwieweit Rausch auf dem konkreten Gleis bleibt und doch künstlerisch immer wieder mal abzweigt: Nicht nur, dass er auf einmal auf Holz aquarelliert. Er füllt den Bildgrund auch vollständig aus, wobei sich feinste Farbbahnen in Grün und Gelb überlagern und eine Komposition von bemerkenswerter Sogkraft entsteht. Später holt er noch ein paar Malblöcke hervor, auf denen man die für ihn typischen, ebenso feinen wie akkuraten Linienführungen wiedererkennt. „Meistens ziehe ich den Pinsel nur einmal drüber, dann muss die Bahn sitzen.“ Was Rausch da zeigt, sind graphische Meditationen. Nicht alleine des Trocknens wegen nehmen sie etappenweise Gestalt an: Er probiert und verwirft solange, bis die einzelnen Farbachsen kompositorische „Scharniere“ bilden, wie er das nennt. Eine verletzliche Intimität geht von diesen Aquarellen aus. Auch deshalb setzt er mitunter gezielt die Härte einer schwarzen Fläche dagegen.

Ein paar Tage später zeigt er in der HBK-Werkstatt noch eine Serie frischer Druckgrafiken. Wieder sind es Arbeiten, die einen anderen, diesmal dynamischeren Duktus zeigen: Statt klar gegliederter, markanter Farbflächen setzt er hier auf mehrfach übereinander gedruckte, stärker rhythmisierte Farbflächen. Wo die konkrete Kunst sich in kalkulierter Systematik ergehe, sei sie nicht sein Fall, sagt Rausch. Seine eigene nennt er „nicht gegenständlich“. Seine jüngsten Arbeiten zeigen, dass er das Korsett grafischer Serialität immer mehr ablegt.

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