Bauhaus-Künstlerin Anni Albers Fäden waren ihr großer Lehrmeister

Düsseldorf · Die Retrospektive der Bauhaus-Künstlerin Anni Albers in der NRW-Kunstsammlung ist ein Augenöffner und Schlüssel zur Konzeptkunst.

 Anni Albers’  gewebtes Gemälde  „Two“ aus dem Jahr 1952 (Leinen, Baumwolle und Rayon).

Anni Albers’  gewebtes Gemälde  „Two“ aus dem Jahr 1952 (Leinen, Baumwolle und Rayon).

Muster und Stoffe gehören in unser Leben. Die Wohnung, die Textilien, das Auto, die Stadt – alles ist eine einzige Inszenierung, die von alters her Moden unterliegt und Traditionen herausbildet. Muster sind Ausdruck unseres Urbedürfnisses, zu gestalten, zu strukturieren.

Die Komposition von Mustern; die von Hand produzierten Gewebe und Stoffe; die Idee, die Räumlichkeit in der Fläche zu beschreiben, das Licht zu fangen oder zu filtern – all dies, nur viel konzeptueller, feiner und künstlerisch gedacht, vollzog die Bauhaus-Künstlerin Anni Albers, deren Werk jetzt in der Kunstsammlung NRW chronologisch ausgebreitet ist. Fäden waren ihr Lehrmeister. Die Welt, der die junge Berlinerin mit ihrer Bewerbung ans Bauhaus als Jüdin entkam, bezeichnete sie als „Knäuel der Hoffnungslosigkeit“.

Nachdem sie ein Studium der Malerei absolviert hatte, entdeckte sie am Bauhaus die Jahrtausende alte Technik des Webens als ihr Ding, die Welt künstlerisch zu durchdringen. Vor allem am Werk der Bauhausmeister Paul Klee und Wassily Kandinsky maß sie das ihre. 300 Arbeiten, hochfragil und lichtempfindlich, darunter zahlreiche kostbare Leihgaben, wurden nach Düsseldorf beordert, in Zusammenarbeit mit der Londoner Tate ist es seit rund 20 Jahren die erste umfassende Soloschau Anni Albers’.

Bauhaus-Gründer Walter Gropius strebte das „Einheitskunstwerk“ an. Die trennende Unterscheidung von angewandter und bildender Kunst sollte aufgehoben werden, alle Sparten wollte man zusammenführen. Der spätere Bauhaus-Direktor Hannes Meyer machte sich für einen weiteren zukunftsweisenden Aspekt stark, gab das Motto „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ aus. Schönheit ging in Serienproduktion, die Demokratisierung der Kunst nahm ihren Lauf. Dafür steht Albers wie keine andere. Sie war, schrieb sie, überzeugt davon, dass „das Weben (...) sich auf die Ebene der Kunst erheben kann“. In seiner Linearität und Serialität ist ihr Werk der Konzeptkunst nahe. Dabei stand die nach Amerika emigrierte Berlinerin lange im Schatten ihres viel berühmteren Mannes, des Künstlers Josef Albers.

Die Ausstellung ist frei nach Mustern aus Albers Werken gestaltet, chronologisch gehängt. Es gibt Stoffe, Studien, Raumteiler, Wandbehänge zu sehen, einige hinter Glas gesetzt als autonome Kunstwerke, andere als Stoffentwürfe erkennbar. Auch Schmuck, freie Gouachen und Drucke sind dabei. Gleich zu Beginn hängt ein noch im Bauhaus entstandener Entwurf für einen Wandbehang, datiert auf 1925. Leider wird Albers’ zentrale sechsteilige Arbeit erst ab August zu sehen sein: Die tafelhaften Gewebe „Six Prayers“ entwarf sie auf Einladung des Jüdischen Museums New York, es sollte ein Mahnmal werden, ein gewebtes Gedenken in düsteren Farben. Albers schrieb dazu, dass sie die Fäden wie ein Bildhauer eingesetzt habe oder wie ein Maler sein Material. Sie wollte mit Zeichen Schrift erzeugen, in Anlehnung an die Heilige Schrift. Nicht von ungefähr erinnern einige hinreißende Arbeiten an Gedenkstelen.

Im August 1933 konnte die Jüdin noch mit ihrem Mann Josef Albers in die USA emigrieren, wo beide dann am Black Mountain College in North Carolina lehrten. Der künstlerische Durchbruch gelang ihr 1949, nach ihrer ersten Ausstellung im New Yorker MoMa. In den 15 Jahren danach entstanden ihre „pictorial weavings“ – ihre großen abstrakten Webarbeiten, die im Zentrum der Düsseldorfer Schau stehen.

Di-Fr: 10-18 Uhr, Sa, So: 11-18 Uhr.

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