Was das Festival „Perspectives“ bieten wird Es ist nicht alles schwer, was glänzt

Saarbrücken · Elf Produktionen, aber erstmals keine auf Deutsch, bietet das kommende 41. Festival „Perspectives“ (17. bis 26. Mai). Viel Zirkus wird es geben, wenig Tanz und mehrere Theaterabende. Directrice Sylvie Hamard versprach gestern schon mal viele „grandiose“ Aufführungen.

 Szene aus Milo Raus „Five Easy Pieces“ über den Fall Dutroux, ein belgisches Nationaltrauma, in dem Kinder den Fall neu verhandeln.

Szene aus Milo Raus „Five Easy Pieces“ über den Fall Dutroux, ein belgisches Nationaltrauma, in dem Kinder den Fall neu verhandeln.

Foto: Phile Deprez

Auch wenn sie bei der gestrigen Perspectives-Pressekonferenz im proppenvollen „Jules Verne“ keine Rolle spielte, so kam einem dort doch die Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten vom Vortag in den Sinn. Tobias Hans’ Vision, das Saarland zum „Hotspot für Gründer“ zu machen und die Frankreichstrategie des Landes weiter zu kultivieren. Denn beides hat auch mit Lebensqualität zu tun. Und die wiederum auch mit Kulturangeboten. Womit sich der Kreis zu den Perspectives schließt. War doch die vielleicht interessanteste Aussage von Festivalleiterin Sylvie Hamard gestern ihre Antwort auf die Frage, weshalb die kommende 41. Ausgabe (17. bis 26. Mai) keine einzige deutschsprachige Produktion enthalten wird. Viele deutsche Produktionen seien „heute unbezahlbar“ geworden, erklärte Hamard, deren elftes Festival es als Leiterin ist.

Zwar liegt (Kartenerlöse eingerechnet) der Festivaletat 2018 „grosso modo bei 843 000 Euro“, wie Doris Pack in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit erwähnte (neben Land, Landeshauptstadt und Département Moselle einer der Festivalträger). Aber selbst dieser erkleckliche Etat (der allerdings 62 000 Euro geringer ist als in der Jubiläumsausgabe 2017) erlaubt dann eben doch keine großen Sprünge. Zumal Sylvie Hamard en passant klar machte, dass Spielorte wie das Saarbrücker E-Werk überhaupt festivaltauglich „mit der nötigen Technik einzurichten“, ausgesprochen kostspielig sei. „Uns fehlt eine mittelgroße Bühne in Saarbrücken“, ließ Hamard wissen – alle Versuche, neue „Locations“ aufzutun, blieben bislang erfolglos. „Wer eine Idee hat, soll sich bitte bei uns melden“, meinte Hamard mit dem ihr eigenen, erfrischenden Charme. Kurzum: Die alten Orte sind auch die neuen: das E-Werk, das Forbacher Carreau, das Zirkuszelt vorm Staatstheater, dessen Großes Haus und Feuerwache, Sarreguemines’ Hôtel de Ville und das Saarlouiser Theater am Ring.

Inhaltlich gibt es keinen Grund, das bewährte Festivalkonzept zu ändern, das die Perspectives Jahr für Jahr immer wieder zu einer Bühnenkunstgeliebten macht, der man nur zu gerne verfällt. „Stücke von hohem Niveau für ein breites Publikum“ labelte Hamard gestern einmal mehr ihren möglichst viele Bevölkerungsgruppen umarmenden Ansatz. Weshalb es zur Festivaleröffnung (laut Programmheft) wieder eine „halsbrecherische“ Zirkusproduktion geben wird: „Grande –“, die Deutschlandpremiere eines von Hamard überschwänglich als „Revue, Zirkus, Theater und Performance in einem“ apostrophierten Stücks von Tsirhaka Harrivel und Vimala Pons (17., 18. Mai im E-Werk). Hinzu kommt im Zirkuszelt auf dem Tbilisser Platz „Maintenant ou Jamais“ (19. bis 21. Mai), ein Gastspiel der Compagnie Circa Tsuica – die ihre Fahrradakrobatik  allerdings nicht in ihrem angestammten „französischen Zelt“ vollführen darf, wie Hamard anmerkte. Die deutschen Bestimmungen verlangten ein deutsches: Auch ein binationales Festival kommt um bürokratische Trennlinien nicht herum.

Damit nicht genug, wird im Theatersaal des Rathauses von Sarreguemines eine dritte Zirkus-Produktion angesetzt: „Speak easy“ des Ensembles „The Rat Pack“ paart Akrobatik mit einem Hauch 30er Jahre und Anleihen aus Stummfilm und Film Noir (25., 26. Mai). Das tut, diesmal im Zeitkolorit des New Yorks der 20er und 30er, auch „Street Dance Club“ – die (wegen eines kurz vor den „Perspectives“ vom Staatstheater angesetzten Tanzfestivals) einzige Tanzaufführung des Festivals (20., 21. Mai, Theater am Ring). Ohne Worte kommt auch die im Großen Haus des SST angesetzte, vom Los dreier (maskierter) Bühnenarbeiter erzählende Produktion „Familie Flöz“ des Teatro Delusio aus (21. Mai), das 2015 schon mal mit „Hotel Paradiso“ bei den Perspectives gastierte. Auf den letzten Drücker ins Programm kam die erst vorgestern von Hamard in Chalons begutachtete „Collectif Mensuel“-Produktion „Blockbuster“ (25., 26. Mai im E-Werk), die sie als eine mit Hollywoodklischees spielende „Collage aus Filmen mit einer unglaublichen Présence“ beschreibt. Ähnlich enthusiasmiert kündigt Hamard das von Ludovic Lagarde inszenierte Molière-Stück „L’Avare“ („Der Geizige“) der Comédie de Reims an (18., 19. Mai im Carreau). Es habe das Zeug dazu, „junge Leute wieder ins Theater zu bekommen“. Gleichfalls französisches Theater (mit deutscher Übertitelung) bietet die fünf Jahre alte Theaterperformance „Germinal“ (22, 23. Mai im E-Werk), die mit Zolas gleichnamigem Roman indes nichts zu tun hat, sondern uns bei der Menschwerdung eines technoiden Quartetts zuschauen lässt.

Was lange Falk Richter war, scheint nun Milo Rau bei den Perspectives zu werden: ein fest gebuchter Progammpunkt. Diesmal wird „Five Easy Pieces“, Raus Aufarbeitung eines belgischen Nationaltraumas (des Falls Dutroux) zu sehen sein (19., 20. Mai, Alte Feuerwache). Rau lässt darin einen Showmaster sieben Kinder für ein Stück über den pädophilen Mörder casten und sie Dutroux’ Taten und die polizeilichen Ermittlungen nachspielen. Ein waghalsiges Stück, weshalb Hamard anschließend einen „table ronde“ mit Raus Dramaturgen eingeplant hat. Wer danach (aber auch sonst ) weiter diskutieren, abhängen oder Festivalatmosphäre inhalieren will: Der „Sektor Heimat“ am Osthafen wird wie im Vorjahr als „Perspectives“-Club herhalten.

 „Maintenant ou Jamais“ bringt Fahrradakrobatik ins Zelt am Tbilisser Platz.

„Maintenant ou Jamais“ bringt Fahrradakrobatik ins Zelt am Tbilisser Platz.

Foto: Vincent Berthe de Pommery/Picasa/© Vincent Berthe de Pommery
 „Familie Flöz“ handelt von maskierten Bühnenarbeitern.

„Familie Flöz“ handelt von maskierten Bühnenarbeitern.

Foto: Borasci/© Valeria Tomasulo/Pierre Borasci

Programm-Infos unter
www.festival-perspectives.de

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