Ausstellungen Emotionale Linien im Raum

Saarlouis · Das Institut für aktuelle Kunst präsentiert den Werkkatalog von Wolfgang Nestler.

() Es muss ein ganz besonderes Gefühl sein, kurz nach dem 74. Geburtstag sein Lebenswerk in Händen zu halten. Das Saarlouiser Institut für aktuelle Kunst hat ein Werkverzeichnis des Bildhauers Wolfgang Nestler erstellt, das Institutsleiter Jo Enzweiler am Freitag vorstellte: ein dickes Buch mit 548 Seiten und mehr als 700 Abbildungen. Schon beim ersten Blättern merkt man, welch’ reiches Künstlerleben hier dokumentiert wird.

Überdies hat das Institut eine kleine Ausstellung in den Räumen des Forschungszentrums für Künstlernachlässe inszeniert, die einen Überblick über das Schaffen Nestlers seit 1972 bieten soll. Schlendert man zwischen den im Raum etwas lieblos verteilten Objekten hindurch, fällt gleich auf, dass der emeritierte HBK-Professor – für einen Bildhauer eher ungewöhnlich – nicht auf Masse und Volumen, sondern auf Linie und Fläche setzt. Insbesondere mit den Werken an den Wänden ist er fast schon näher an der Zeichnung als an der Bildhauerei. Auch die Vorzeichnungen enthüllen das deutlich.

Eisen und Stahl sind Nestlers bevorzugte Materialien, Quadrat und Kreis beliebte Grundformen. Er inszeniert damit ein fragiles Kräftespiel: Eisenstangen halten ihr massives Gewicht scheinbar von selbst, andere schweben geradezu im Raum. Bleche hängen schräg an Nägeln, eine lange Eisenstange biegt sich auf konvexem Fuß in den Raum. Ein ausgeklügeltes Spiel mit Masse, Druck, Zug und Last, das dazu führt, dass sich die Objekte der Schwerkraft zu widersetzen scheinen und in Balance verharren. Dem harten und widerstandsfähigen Material entlockt Nestler mit äußerster handwerklicher Präzision ihr zartes und komplexes Innenleben. Man spürt sofort den Hang des Künstlers, auf der Suche nach innerer Ausgewogenheit ein Bedürfnis nach Harmonie auszudrücken.

Nestler spielt mit der Vielfalt der Formen bei gleichzeitiger radikaler Reduktion der Form und verdichtet Spannungen, ohne Ausgewogenheit einzubüßen. So schält er Kraftlinien aus dem Material und lässt es für sich sprechen. Ihm gelingt das in der Bildhauerei seltene Kunststück, sich jeder Assoziation zum Figurativen zu entziehen. Die Präzision des Handwerkers, die Emotionalität des Künstlers und das Spiel mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten vereinen sich.

Bis 15. Dezember (Di–Fr: 14 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung)

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