Saarbrücker Schwebekunst in Berlin Eine Tonne schwere Wünsche

Berlin · Die „Wooden Cloud“ des saarländischen Künstlers Martin Steinert schwebt nun in Berlin.

 Wunschanbringung mit vereinten Kräften in Neukölln.

Wunschanbringung mit vereinten Kräften in Neukölln.

Foto: André Mailänder/Andre Mailänder

Auch Berliner haben Wünsche. Und sind durchaus willig, sie öffentlich zu äußern, vielmehr: aufzuschreiben. Dabei sagt man den Hauptstädtern doch eine gewisse Schnoddrigkeit nach. Martin Steinert hat jetzt andere Erfahrungen gemacht. Über 1000 Berliner, Passanten, Anwohner wie Touristen, haben sich in den vergangenen vier Wochen an seinem partizipatorischen Kunstprojekt beteiligt, erzählt der saarländische Künstler. Sie haben ihre Wünsche auf Holzlatten geschrieben, die er zu einer „Wooden Cloud“, einer Rauminstallation, zusammengefügt hat. Nach Saarbrücken und St. Petersburg hat Steinert mit finanzieller Unterstützung des saarländischen Kultusministeriums nun in Berlin seine dritte „Hölzerne Wolke“ realisiert.

Vier Wochen stand der Saarbrücker täglich auf dem Richardplatz in Neukölln, hat sein Projekt erklärt und gleichzeitig gezimmert. Heute Abend wird das fertige Werk, das wie eine Wolke 2,50 Meter über dem Boden zwischen Bäumen – an Stahlseilen – schwebt, in einer Finissage öffentlich gefeiert. Die Neuköllner Bürgermeisterin wird eine Rede halten, die Landesvertretung spendiert Erfrischungsgetränke. Sie hatte Steinert auch die Türen zur Verwaltung geöffnet. Nur beim Kontakt mit der Bürokratie, berichtet Steinert, hatte er manchmal eine gewisse Reseviertheit gespürt. Nach dem Motto: Warum sollen wir uns jetzt noch einen Saarländer herholen, wir haben doch selbst genug Künstler hier?

Die Leute im Kiez aber hätten reges Interesse und Wohlwollen bekundet. Die ersten Wünsche hatte Steinert beim Kunstfestival „48 Stunden von Neukölln“ gesammelt, auch danach seien viele gekommen. Am Richardplatz habe Neukölln fast dörflichen Charakter, sagt Steinert, während Neukölln insgesamt vor einem Umbruch stehe. „Viele Häuser werden umgebaut, die Mieten steigen, schicke Cafés entstehen.“ Die Angst vor der Gentrifizierung spiegele sich in vielen Wünschen. „Wir wollen, dass Neukölln so bleibt wie es war“, schreiben einige. Oder: „Ich wünsche mir, dass die Kündigung zurückgezogen wird.“ Ansonsten gehe es, wie in Saarbrücken und St. Petersburg, um Frieden, Gesundheit, Familie, die Zukunft der Kinder.

Wie lange die „Wooden Cloud“ im Neuköllner Kiez hängen bleiben darf, weiß Steinert noch nicht. Doch es wird wieder eine Dokumentation geben. Mehrere Kreative haben ihn bei seinem Projekt begleitet: Neben dem Saarbrücker Fotografen André Mailänder und der St. Ingberter Medienagentur Skauz, die die Website betreut, diesmal auch eine französische Filmkünstlerin, Mathilde Nodenot. Der Saarbrücker Ingenieur Günther Schmidt-Gönner hatte im Vorfeld die Statik der rund 1000 Kilo schweren Konstruktion berechnet. Damit es Steinert nicht ergeht wie seinem belgischen Kollegen Arne Quinze: Dessen tonnenschwere Holzlattenkonstruktion war 2014 über den Straßen von Mons noch vor der Einweihung eingestürzt.

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