Impressionisten-Ausstellung Edouard Manet oder der Triumph der Malerei

Wuppertal · Das Von der Heydt Museum in Wuppertal will den ganzen Edouard Manet zeigen – der Anspruch wird zwar nicht eingelöst, reizvoll ist die Schau gleichwohl.

 Manets 1879, vier Jahre vor seinem Tod, entstandenes, viel Impressionismus ausstrahlendes Gemälde „Le jardin de père Lathuille“ (Öl auf Leinwand, 92x112 cm).

Manets 1879, vier Jahre vor seinem Tod, entstandenes, viel Impressionismus ausstrahlendes Gemälde „Le jardin de père Lathuille“ (Öl auf Leinwand, 92x112 cm).

Foto: Von der Heydt Museum Wuppertal/Von der Heydt Museum Wuppertal/ Musee des Beaux-Arts, Tournai

Im Atelier von Thomas Couture fühlt sich Edouard Manet, als ob er „in ein Grabgewölbe eintrete“. 1850 hat er sich als Schüler bei dem erfolgreichen Salonmaler eingeschrieben. „Ich weiß nicht, warum ich hier bin“, klagt er dem Freund Antonin Proust. „Alles, was wir vor Augen haben, ist lächerlich. Das Licht ist falsch, die Schatten sind falsch.“ Mit den Modellen legt er sich an, weil die so unnatürliche Posen einnehmen, und nicht selten auch mit seinem Lehrer. „Ich male, was ich sehe, und nicht, was anderen zu sehen beliebt“, schmettert er Couture an den Kopf. Der sagt seinem Schüler folglich keine große Zukunft voraus.

Das Verhältnis zu seinem Lehrer kann als exemplarisch gelten für Edouard Manet (1832-1883). Ein Leben lang ringt er um Anerkennung im Salon, den er als den „wahren Kampfplatz“ bezeichnet, stellt nie mit den Impressionisten aus, obwohl die ihm eigentlich viel näher waren. Der Dichter Charles Baudelaire hielt ihn deswegen für „unentschlossen“ und „charakterschwach“ und noch der Kunsthistoriker John Rewald beschreibt ihn in seiner legendären „Geschichte des Impressionismus“ (1946) als Maler, der sich nie ganz von seinem bürgerlichen Ursprung lösen konnte. In den letzten Jahren hat sich die Sicht verändert. Die große Ausstellung im Von der Heydt Museum in Wuppertal zeichnet Manet als Mann, der sich bewusst einer Zuordnung entzogen habe, um für unterschiedliche Zielgruppen attraktiv zu sein. Manets Künstlernaturell war so beschaffen, dass für ihn die Beschränkung auf nur einen Malstil einen Verzicht bedeutet hätte.

Sich beschränken wollte auch Museumschef Gerhard Finck nicht, will er in Wuppertal doch „den ganzen Manet“ zeigen und sich nicht wie die Hamburger Kunsthalle 2016, die ihn als letzten Alten Meister feierte und seine Figurenbilder in den Fokus rückte, auf nur ein Thema beschränken. Eben darin liegt die Qualität, aber auch die Gefahr der Ausstellung, die 45 Gemälde Manets und fast noch einmal so viele seiner Grafiken zeigt und dazu 100 Werke von Zeitgenossen. Nicht chronologisch geht die Schau vor, sondern sie wirft in elf Kapiteln Schlaglichter auf Skandale, Vorbilder, Freunde, Spanienmode oder Stillleben. Alles gipfelt in einem Saal, der an ein Zitat Paul Valérys angelehnt mit „Manets Triumph“ überschrieben ist und Werke seines Umfeldes zeigt – konkret Arbeiten von Monet, Bazille, Degas, Corot und Courbet aus dem Bestand des Von der Heydt. Mitunter wirkt das etwas zerfahren. Neue Erkenntnisse liefert die Ausstellung nicht. Das muss sie aber auch nicht. Am besten, man betrachtet Manets Bilder so, wie es sich nach Emile Zola „für ein wahres Kunstwerk gehört: als ein Wunder an Farbe“.

Als Sohn eines hohen Beamten in Paris geboren, will Manet zunächst zur See fahren. Als Kadett auf einem Schulschiff zeichnet er auf der Überfahrt nach Rio lieber an Deck, statt mit anzupacken. Der Kapitän entdeckt das und lässt ihn zur Strafe im Frachtraum Käse mit Mennige anstreichen. Zweimal scheitert seine Bewerbung bei der Marineschule. Bis der Vater dann ins Kunststudium einwilligt. Weil es ihm bei Couture nicht gefällt, besucht Manet abends Kurse in der Académie Suisse, wo er die etwas jüngeren Impressionisten kennenlernt. Obwohl er ihre Ansichten teilt, lässt er sich nicht vereinnahmen und bleibt ein Einzelgänger. Immer wieder schickt er Bilder in den Salon, an dem er 14 Mal teilnimmt: 26 werden dort angenommen, elf abgelehnt. Für einen Skandal sorgte seine „Olympia“ (1865) – eine auf einem Bett ausgestreckte Nackte. Zwei Wächter mussten vor ihr postiert werden, damit erboste Besucher sie nicht mit ihren Regenschirmen attackierten.

Die „Olympia“ und Manets „Frühstück im Grünen“ (1963) hängen in Wuppertal als originalgetreue Reproduktionen an den Wänden. Nur selten verleiht das Musée d’ Orsay in Paris die beiden Hauptwerke noch. Was zunächst irritieren mag, zumal der Besucher gleich im zweiten Raum auf die Kopien stößt, macht durchaus Sinn. Lässt sich doch erst durch die Größe dieser Werke ihr Skandalwert heute noch nachvollziehen. Akte von Degas, Renoir, Diaz De La Peña zeugen in Wuppertal davon, dass „nackte Tatsachen“ im 19. Jahrhundert durchaus nicht unüblich waren. In der Größe, wie Manet sie malte, aber und ohne allegorische „Einkleidung“ waren sie eine Provokation. Schließlich hing man die „Olympia“ im Salon in luftiger Höhe über eine Tür, um sie vor Angriffen zu schützen. Eine Fassung von „Die Erschießung des Kaisers Maximilian von Mexiko“ (1868) war leider auch nicht zu haben, ist aber immerhin als Lithografie im Von der Heydt vertreten und zeigt Manet als Patrioten und überzeugten Republikaner.

Wo Hauptwerke wie die „Nana“ (1877) oder „Die Musik in den Tuilerien“ (1862) fehlen, ist Platz für unbekanntere Werke. So gibt es wunderschöne Seestücke wie „Am Strand von Berck-sur-Mer“ (1873) zu entdecken, die sagenhaft dynamische „Rennbahn von Longchamp“ (1867) oder die lichtdurchfluteten Gartenbilder des „Hauses in Rueil“ (1882). Sie entstanden, als der an Syphilis erkrankte Manet ein Jahr vor seinem Tod zur Kur in Versailles weilte. Selten malte er so luftig und leicht wie auf diesen letzten Bildern. Sie brachten ihm den Titel „Vater des Impressionismus“ ein, den er selbst so gar nicht gerne gehört hätte.

 Manets Gemälde „Die Reiterin“ (um 1882; Öl auf Leinwand, 73 x 52 cm).

Manets Gemälde „Die Reiterin“ (um 1882; Öl auf Leinwand, 73 x 52 cm).

Foto: Prado Madrid/Museum von der Heydt/Prado Madrid

25. Februar. Di, Mi: 11-18 Uhr, Do, Fr 11-20 Uhr, Sa, So: 10-18 Uhr.

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