Ausstellungen Die fotografische List des Herbert List

Saarlouis · Die Saarlouiser Galerie Ludwig erinnert mit einer Querschnitt-Schau an das fotografische Werk von Herbert List.

  Roms Himmlische Treppe (1949). Alle Fotos sind auch im dreisprachigen Katalog (engl./frz./ital.) zur Ausstellung enthalten (28 €)

Roms Himmlische Treppe (1949). Alle Fotos sind auch im dreisprachigen Katalog (engl./frz./ital.) zur Ausstellung enthalten (28 €)

Foto: ©Herbert List / Magnum Photos/Herbert List

Nicht zuletzt seine perfekt auf der Kontraste-Klaviatur von Licht und Schatten spielenden Schwarzweiß-Aufnahmen antiker Tempel­anlagen – aufgenommen Ende der 30er, damals diente ihm Griechenland bereits zeitweilig als Exilort – haben Herbert List als Fotografen bekannt gemacht. „Licht über Hellas“ hieß sein 1953 erschienener Fotoband, der in bildungsbürgerlichen Haushalten einen festen Platz hatte. Die seit November in der Saarlouiser Galerie Ludwig Station machende List-Schau, die 120 Fotografien des sich stets etwas kokett als „Amateurfotografen“ bezeichnenden List (1903-1975) aufbietet, kommt naturgemäß nicht ohne sie aus.

15 Jahre, nachdem das (seit 2007 geschlossene) Museum St. Ingbert 2003 hierzulande einen ersten List-Querschnitt zeigte, ist es das erste Wiedersehen hier mit seinen – allerdings nicht ohne einige Abstriche – zeitlos gültigen Aufnahmen. Dass List nicht zuletzt ein glänzender Porträtist war, illustrieren seine exzellenten Künstlerporträts, allen voran die von Giorgio Morandi, Georges Braque und Giorgio de Chiroco. Verglichen mit diesen, Lists Gespür für den einen, richtigen Moment offenbarenden Bildnissen fallen vor allem einige seiner überinszenierten Stillleben merklich ab. Ihre Gefälligkeit wird manchen Aufnahmen zum Verhängnis – ob nun seine arg stilisiert auf einem Boot drapierten Sonnenbrillen („Lake Lucerne“, 1936) oder ein eher plattes Strandmuschel-Bildnis mit Spiegel („Extension into the real“, 1934).

Den unübersehbar an klassischen Kompositionen geschulten Sinn des bekennenden Homosexuellen List für menschliche Torsi dokumentieren in Saarlouis eine Reihe von Aufnahmen von Jünglingen am Strand. Dass List, ehe er über die legendäre Fotoagentur Magnum zu einem der großen Bildreporter der 50er und 60er Jahre avancierte, sich als Modefotograf erste Meriten verdient hatte, ist – so paradox dies zunächst klingen mag – diesen Aktaufnahmen anzusehen. Heute wirken sie, wiewohl kunstvoll arrangiert, seltsam austauschbar. Wüsste man nicht, dass List alles andere als ein Nazi-Mitläufer war (als Homosexueller, „Vierteljude“ und Regime-Opponent musste er Deutschland zeitweilig den Rücken kehren), würde man in diesen Jünglingsbildern womöglich gewisse stilistische Bezüge zur NS-Ästhetik ausmachen wollen.

Ein Höhepunkt der Saarlouiser Schau sind zweifellos die Reportagefotos von List aus den 50ern in Italien. Eine vollendete Straßenszene wie „Fußballer in den Straßen von Neapel“ (1959) zeigt sein intuitives Verständnis für Perspektivik und Bildaufbau, während andere Aufnahmen dieser unerhört produktiven „italienischen Phase“ Lists seine geistige Wahlverwandtschaft zum damals in der dortigen Kunst vorherrschenden Neorealismus widerspiegeln. Mit dem zeitlichen Abstand von mehr als einem halben Jahrhundert betrachtet, sind Lists Alltagsfotografien noch aus einem ganz anderen Grund aufschlussreich: Auf frappante Weise lässt sich an ihnen ablesen, wie einschneidend und elementar sich das tägliche Leben in Westeuropa seither verändert hat. Die improvisierte Umtriebigkeit und technikfreie Geselligkeit, die heutzutage vielfach noch das Straßenleben in Asien und Afrika prägt – damals existierte sie auch hier noch.

Dass Herbert List auf dem Höhepunkt seines fotografischen Ruhms in den 60er Jahren seine Profession aufgab, mag heute überraschen, nimmt den Betrachter aber umso mehr für seine Werke ein. Offenkundig hatte List es nicht mehr nötig, seinen Marktwert weiterhin zu ermitteln. Es genügte ihm vollauf, eine gewisse Anzahl ikonografischer Werke mit der Linse aufgespürt zu haben.

Bis 10. März. Di bis Fr: 10-13 Uhr sowie 14-17 Uhr; Sa und So: 14-17 Uhr.

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