Die Bombe auf den Champs-Élysées

Saarbrücken · In Paris gründet sich eine Terrorzelle und plant einen Anschlag aufs Herz der Stadt. Der französische Film „Made in France“, gedreht vor den Anschlägen in Paris, erscheint jetzt bei uns auf DVD.

 Terroristen unter sich: Szene aus „Made in France“. Foto: Universum Film

Terroristen unter sich: Szene aus „Made in France“. Foto: Universum Film

Foto: Universum Film

Zwei Mal hat das reale Morden diesen Film über islamistischen Terror eingeholt: 2014 gedreht, sollte "Made in France" im Januar 2015 in Frankreich starten, wurde dann aber angesichts der Morde in der Redaktion von "Charlie Hebdo" verschoben - auf November. Dann geschahen die Anschläge von Paris, der Start des Films wurde auf unbekannt verschoben, ins Kino der Nachbarn kam der Film dann gar nicht mehr und erschien nur auf DVD, so wie jetzt bei uns.

Der Film von Nicolas Boukhrief, dem 2004 mit "Cash Truck" ein finsterer Krimi gelang, ist eine merkwürdige Seh-Erfahrung: Vor dem Hintergrund des realen Terrors ist er beklemmend, als Film schnörkellos inszeniert, als Unterhaltung enorm spannend - und doch bleibt er letztlich unbefriedigend. Der investigative Journalist Sam (Malik Zidi), ein Mann mit muslimischen Wurzeln, arbeitet an einer Reportage und lebt sich in einer islamistischen Gruppe in einem Pariser Vorort ein; er besucht die Moschee, in der gegen westliche Dekadenz gepredigt wird und der dehnbare Satz fällt: "Mord ist verboten - es sei denn, er dient einem gerechten Zweck." Sam freundet sich mit einigen Jugendlichen an, die die Rückkehr eines der ihren sehnsüchtig erwarten: Hassan. Der heißt bürgerlich eigentlich Pelletier, erzählt von seiner Ausbildung in Pakistan und davon, dass er hier in Paris eine Terrorzelle errichten soll. Mit heiligem Ernst sind die Jugendlichen dabei, auch zum Schein der Journalist. Hassan, die charismatische Führerfigur, weiht die Gruppe beim Waffenkauf in die Kunst des Mordens ein. Als der Journalist sich der Polizei anvertraut und aussteigen will, zwingt die ihn, weiterzumachen, da sie unbedingt an die Befehlsgeber der Terrorzelle herankommen will. Sam bleibt dabei, in ständiger Angst, während Hassan das Ziel eines Bombenanschlags verkündet: die Champs-Élysées, an einem Samstag. Die Angst des Eingeschleusten vor der Enttarnung, die knapp werdende Zeit - diese klassischen Elemente des Spannungskinos werden souverän genutzt. Und doch hätte dieser 89-Minüter gerne eine halbe Stunde länger dauern und sich seinen Figuren stärker widmen dürfen. Die sind recht grob skizziert - ein Boxer aus der Vorstadt, ein offenbar gelangweiltes Bürgersöhnchen, ein Mitläufer, der erkennt, dass das Kämpfen nichts für ihn ist.

Was den Anführer der Terrorzelle antreibt, was er im Gefängnis und in Pakistan erlebt hat, bleibt im Halbdunkeln. Dennoch wird immer wieder deutlich, wie fadenscheinig die religiöse Unterfütterung dieses pseudo-heiligen Krieges ist, wenn der Führer auf Fragen wie "Will Allah, dass wir Frauen und Kinder töten?" nur "Wir sind im Krieg" antwortet. Neben ihrer Brutalität offenbart die Gruppe enorme Banalität, wenn sie lange darüber grübelt, welchen griffigen Namen sie sich geben soll. Als der Bürgersohn vom "Krieg für unsere Kinder in Palästina" spricht, fragt ein Mit-Terrorist: "Aber Du bist doch Bretone?" Da hätte der Film sich mehr Zeit gönnen müssen, um tiefer in diese Gruppe der Verblendeten und Verirrten einzudringen. So zumindest bleibt ein politisch aktueller, spannender Thriller, dessen Schlusspointe, die nicht verraten werden soll, ein Rätsel aufgibt: ein abgenutztes Klischee? Oder der Verweis auf die Macht des Glaubens abseits allen Terrors?

Erschienen auf DVD und Blu-ray bei Universum Film.

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