Lesung in Saarbrücken Deutsche Kolonialherrschaft, „mit Blut geschrieben“

Saarbrücken · Die Historikerin Rebekka Habermas stellt am Montag ihr glänzendes Buch „Skandal in Togo“ in Saarbrücken vor.

 Skandal in Togo

Skandal in Togo

Foto: S. Fischer

„Die Kolonialpolitik aller Länder ist mit Blut geschrieben und mit Verbrechen besudelt worden“, sagte der SPD-Politiker August Bebel am 1. Dezember 1906 im  Reichstag. Ausgangspunkt für diese heute unumstrittene Beurteilung des Kolonialismus waren auf deutscher Seite zum einen der Völkermord an den Herero und Nama (1904–1908), aber auch die Vorkommnisse in der vermeintlichen „Musterkolonie“ Togo: In dem togolesischen Dorf Atakpame machte sich der Stationsvorsteher Geo Schmidt willkürlicher  Verhaftungen, Prügelorgien und sexueller Ausschweifungen schuldig  und rief die ebenfalls dort ansässigen katholischen Steyler Missionare auf den Plan. Nachdem er 1902 die zwölfjährige Kautschuk-Händlerin Adjaro Nyakuda vergewaltigt hatte, klagten diese ihn an und informierten die „Kolonialabtheilung“ im Auswärtigen Amt.

Der auch vom Reichstag debattierte „Skandal in Togo“ ist der Ausgangspunkt von Rebekka Habermas‘ glänzend geschriebener Mikrostudie. Die Göttinger Historikern, die 1990 in Saarbrücken promovierte, nimmt nicht das erste Mal den für die „Microstoria“ typischen Blick aus der Nähe ein. Mit historisch-anthropologischen Arbeiten zur Geschlechtergeschichte hat sich die Tochter des Sozialphilosophen Jürgen Habermas einen Namen gemacht. In ihrer kolonialen Mikrogeschichte seziert sie einen Skandal, den sie „weniger als eine Geschichte der Enthüllung und Aufdeckung als eine Geschichte des Verschweigens und Vergessens“ beurteilt. Denn in den untersuchten Reichstagsdebatten zeigten auch die prominenten Kolonialgegner wie Bebel und Matthias Erzberger ein rassistisch fundiertes Afrikabild. Dass man einerseits den brutalen Kolonialismus ablehnte und dennoch am Zivilisations- und Missionierungsgedanken festhielt, stellt Habermas als zentralen inneren Widerspruch kolonialer Herrschaft heraus.

So verwundert es kaum, dass Geo Schmidt zur brutalen Ausnahme stilisiert wurde, um von der strukturellen (sexuellen) Gewalt, Zwangsarbeit und Rechtsunsicherheit abzulenken. Auch wenn die afrikanische Seite aufgrund der dürftigen Quellenlage etwas kurz kommt, gelingt es Habermas, die konfliktreichen Beziehungen zwischen Missionaren, Kolonialbeamten, Militärs und lokalen, wirtschaftlichen Interessengruppen zu beleuchten.

Rebekka Habermas: Skandal in Togo. Ein Kapitel deutscher Kolonialherrschaft. S. Fischer, 391 Seiten, 25 Euro. Vortrag: Montag, 18 Uhr, Siftung Demokratie Saarland, Europaallee 18, Sb.

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