Ausstellung im Frankfurter Städel Schönste Verlorenheit

Frankfurt · Das Frankfurter Städel erinnert in einer intimen Ausstellung mit rund 40 Arbeiten an das lange Zeit zu Unrecht in Vergessenheit gefallene Werk der jüdischen Malerin Lotte Laserstein (1898-1993) – eine der vielleicht schönsten Ausstellungen des Jahres.

 Lotte Lasersteins Gemälde „In meinem Atelier“ von 1928, es zeigt sie und ihr Modell Gertrud Rose.

Lotte Lasersteins Gemälde „In meinem Atelier“ von 1928, es zeigt sie und ihr Modell Gertrud Rose.

Foto: Städel Museum

Sieht man nun im Frankfurter Städel die exquisiten Bilder der seit ihrer Emigration nach Schweden 1937 für ein halbes Jahrhundert weithin vergessenen Malerin Lotte Laserstein (1898-1993), fragt man sich, weshalb sie erst nach der Jahrtausendwende peu à peu wiederentdeckt worden ist. Den Anfang machte 2003 eine Retrospektive in Berlin, 2017 folgte dann die Frankfurter Schirn, deren grandiose Schau „Kunst und Elend in der Weimarer Republik“ mit einigen hinreißenden Porträts Lasersteins aus den 20er Jahren bestückt war. Nun legt das Städel nach und vereint in seiner „Von Angesicht zu Angesicht“ überschriebenen Ausstellung die wichtigsten Porträt- und Aktmalereien Lasersteins aus ihrer Berliner Zeit (1924-1937) – entstanden ist eine der wohl schönsten Ausstellungen dieses Jahres.

Nachdem Frauen überhaupt erst 1919 (!) Zugang zu den Kunstakademien erhalten hatten, nahm die Jüdin Laserstein zwei Jahre später an der Berliner Akademie der Schönen Künste ihr Malereistudium auf. Ersichtlich beeinflusst von der neuen Formstrenge der Neuen Sachlichkeit, zeigt Lasersteins malerischer Gestus dennoch ihre künstlerische Eigenständigkeit. Es dürfte nicht viele neusachliche Porträts geben, die von gleicher Intensität sind wie die ihren. Schon in der Schirn-Schau stachen diese durch die bemerkenswerte Tiefe ihrer einfühlsamen, alles andere als unterkühlten Charakterstudien heraus.

Bevorzugtes Modell Lasersteins war ihre Freundin Gertrud Rose (genannt Traute), die sie in immer neuen Posen und Variationen – nicht selten in genuin selbstbestimmten, nicht sexualisierten Aktdarstellungen – ins Bild setzte. Eine gewisse Bekanntheit erreichte Laserstein hingegen zur damaligen Zeit maßgeblich durch ihre Inszenierungen jenes neuen, emanzipierten Frauentypus, wie ihn zu Zeiten der 20er Jahre zahllose (Mode-)Magazine und (Werbe-)Filme propagierten: kurzhaarige, sportive, androgyn wirkende Frauen, die selbstbewusst ihr Emanzipiertsein zur Schau stellten. Doch sind es nicht diese (damals häufig in renommierten Modeheften abgedruckten und ihr zeitweilig ein Auskommen sichernden) Werke, die nun ein Jahrhundert später Lasersteins künstlerischen Ruf ausmachen. Vielmehr sind es ihre feinsinnigen, eher eine Art von versteckter Melancholie verströmenden Porträts, die auch im Städel völlig zurecht in den Mittelpunkt gerückt werden. Herzstück der Schau ist das als Hauptwerk der Malerin geltene Gemälde „Abend über Potsdam“ von 1930, das wie ein frühzeitiger Abgesang auf die Weimarer Ära wirkt: Fünf Erwachsene sitzen desillusioniert auf einer Dachterrasse an einem weiß gedeckten Tisch – die Ratlosigkeit angesichts dessen, was als dunkle Ahnung bereits in der Luft zu liegen scheint, lässt sich darin mit Händen greifen.

Lasersteins Karriere endete abrupt mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Ihre Malschule, die sie 1927 in Berlin gegründet hatte, musste sie aufgeben. Auch wurde sie aus dem Vorstand des Vereins Berliner Künstlerinnen verwiesen. 1937 nutzte sie dann eine Ausstellung ihrer Werke in Stockholm zur Flucht nach Schweden, wo sie bis zu ihrem Tod 1993 blieb und sich als Porträtmalerin über Wasser hielt – ohne allerdings je wieder an ihre Erfolge der 20er Jahre anknüpfen zu können.

 Dass das nun (in diversen Ausstellungskritiken kolportierte) Urteil, Lasersteins Kunst habe in Schweden ihre innere Kraft eingebüßt, in solcher Generalisierung nicht zutrifft, beweist in Frankfurt etwa ein zu sehendes Selbstporträt von 1950: Lässt sich mehr innere Verlorenheit offenbaren als in diesem im Alter von 52 Jahren eingefrorenen Blick?

Bis 17. März. Di, Mi, Sa und So: 10 bis 18 Uhr; Do/Fr: 10 bis 21 Uhr. Die Museumsausgabe des Katalogs mit 159 Farbabbildungen (Prestel Verlag) kostet 39,90 €.

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