Große Ausstellung zum Filmklassiker „2001“ Die Zukunft hat sich gut gehalten

Frankfurt · Ein radikales und immer noch rätselhaftes Meisterstück: Das Frankfurter Filmmuseum widmet Stanley Kubricks Kinoklassiker „2001“ eine aufwändige und aufregende Ausstellung.

 Regisseur Stanley Kubrick hinter der Kamera bei der Arbeit an einer der letzten Szenen von „2001“: Astronaut Bowman (Keir Dullea) findet sich nach der Reise durch das Sternentor in einem mysteriösen Raum wieder. Er stirbt und wird wiedergeboren – das zumindest ist eine mögliche Interpretation.

Regisseur Stanley Kubrick hinter der Kamera bei der Arbeit an einer der letzten Szenen von „2001“: Astronaut Bowman (Keir Dullea) findet sich nach der Reise durch das Sternentor in einem mysteriösen Raum wieder. Er stirbt und wird wiedergeboren – das zumindest ist eine mögliche Interpretation.

Foto: © Warner Bros. Entertainment Inc.

„Wir wissen heute genauso wenig wie damals.“ Zwar spricht Jan Harlan, Filmproduzent und Schwager des Regisseurs Stanley Kubrick, über die mögliche Existenz nicht-menschlichen Lebens im All – aber der Satz würde ebenso gut zu jenem Film passen, den Kubrick zum Thema drehte: „2001“ ist immer noch so undurchschaubar wie der nachtschwarze Monolith im Film, alle Interpretationsversuche gleiten an ihm ab. „2001“, diese Geschichte um den Aufbruch ins All, den Kontakt mit einer außerirdischen Intelligenz, um eine Reise durch Zeit und Raum, um Tod und Wiedergeburt, bleibt mysteriös. Auch 50 Jahre nach seiner Premiere und 19 Jahre nach dem Tod des Regisseurs, der stets schmallippig wurde, wenn es um Erklärungen seines Werks ging.

Jetzt widmet das Frankfurter Filmmuseum dem Klassiker die Ausstellung „Kubricks ‚2001’. 50 Jahre ‚A Space Odyssey’“. Bestückt ist sie mit Exponaten aus internationalen Sammlungen und dem Londoner Kubrick-Archiv; kuratiert wurde sie unter anderem vom Saarbrücker Filmwissenschaftler Nils Daniel Peiler, der über „2001“ promoviert; zur Eröffnung war neben Harlan, der seit den 70ern mit Kubrick arbeitete und sich heute um seinen Nachlass kümmert, auch Kubricks Tochter Katharina angereist, beide zeigten sich zurecht sehr zufrieden: Die reichhaltige Schau ist sinnig in Szene gesetzt, mit einer  zweigeteilten Ausstellungsfläche. Da ist der „Inner Space“, ein hell erleuchteter Mittelraum, der mit seinem fließenden Design, den Weiß- und Rottönen ans Innere der Raumstation im Film erinnert. Um diese Fläche fließt der kurvige „Outer Space“-Raum, mit weltallschwarzen Wänden und vielen Exponaten. Dort laufen Szenen aus „2001“, so dass György Ligetis nervöse „Requiem“-Choräle immer wieder durch den Raum flirren – falls nicht Johann Strauss‘ „Blaue Donau“ durchs Weltall walzert, als Begleiter der in Schönheit rotierenden Raumstation.

Um die Weltall- und Mondszenen möglichst realistisch zu gestalten (der Film entstand vor der Mondlandung), besprach sich Kubrick endlos mit Technikern und engagierte, neben 100 Trick-Experten, auch einen ehemaligen Nasa-Mitarbeiter. Die Resultate wirken heute noch verblüffend realistisch – da wundert es nicht, dass sich die durchaus reizvolle Theorie hält, die Mondlandung 1969 sei ein großer Schwindel gewesen – inszeniert in einem Filmstudio von Kubrick. Viele Produktionsskizzen kann man studieren, Storyboards, Entwürfe, die dann doch nicht umgesetzt wurden. Auch Modelle der Raumschiffe sind zu sehen, der kompakte „Moonbus“ etwa, der elegante „Orion“-Raumgleiter und, 3,40 Meter lang, die schlanke „Discovery“, die gen Jupiter reist. Repliken der alten Miniaturen sind das, keine Originale; die sind heute verloren, weil der Regisseur nicht wollte, dass jemand später damit irgendetwas etwas anfängt. Keine Paranoia, sondern eine gute Idee: Für die blasse Fortführung „2010“ von 1984, ohne Kubrick, der immerhin seinen Segen gab (man darf vermuten, zähneknirschend), mussten die neuen Modellbauer bei Null anfangen.

Beim Dekor des Films erwies sich Kubrick als hintersinnig, was die Ausstellung mit einigen schönen Exponaten belegt: Mit 40 Herstellern stand der Regisseur in Kontakt, ließ sich von ihnen deren Designs in die Zukunft denken und Prototypen liefern. So liest man im Film futuristische Ausgaben der „New York Times“ und von „Paris Match“, die Raumfahrer essen mit Besteck des dänischen Designers Arne Jacobsen, tragen Armbanduhren von Hamilton, in der Raumstation gibt es ein Hilton-Hotel. Doppelt gut für den Film: So verbanden sich Zukunftsbilder mit Gewohntem und wirken dadurch realistischer – und gleichzeitig warben die Firmen für den Film beim Kinostart. Der fiel allerdings durchwachsen aus: Die Führungsriege des Studios MGM fand den Film vor allem langweilig, so dass Kubrick ganze 19 Minuten aus dem Film herausschnitt. Immerhin eine Produktionsskizze aus einer geschnittenen Szene ist zu sehen (Schulunterricht auf der Raumstation). Die Frage, ob dieses Material irgendwann einmal zu sehen sein wird, beantwortete Jan Harlan bei der Ausstellungseröffnung mit einem sehr deutlichen „Auf gar keinen Fall!“.

Mit ihren Kostümen, Plakaten, Modellen, Skizzen, Briefen und Kubricks Anmerkungen auf Karteikarten gibt die Ausstellung tiefe Einblicke in die Produktionsgeschichte und in Kubricks Arbeitsweise, die kaum Kompromisse kannte.

Vollends faszinierend ist dies alles aber, weil man das Werk kennt, das am Ende steht: ein Film, der heute noch durch seine radikale Erzählweise erstaunt. Bei jeder Einstellung spürt man die klare Unbeirrbarkeit des Regisseurs, der das Medium souverän zu seinem Werkzeug gemacht hat. Kubricks Kollege Martin Scorsese beschrieb es am schönsten: Sein Zitat über „2001“ ist, neben anderen, im Treppenhaus des Museums zu lesen: „Dieser Film war zugleich eine Großproduktion, ein Experimentalfilm und ein visionäres Gedicht.“

   Schöner Wohnen: einer der roten Sessel aus der Raumstation.

Schöner Wohnen: einer der roten Sessel aus der Raumstation.

Foto: Tobias Keßler
 Das Modell eines Raumschiffs, das einem Astronauten zum Verhängnis wird.

Das Modell eines Raumschiffs, das einem Astronauten zum Verhängnis wird.

Foto: Tobias Keßler
   Auch der Comic-Verlag Marvel nahm sich des Films an – deutlich actionreicher als das Original.

Auch der Comic-Verlag Marvel nahm sich des Films an – deutlich actionreicher als das Original.

Foto: Tobias Keßler

Bis 23. September. Dienstag und Donnerstag: 10-18 Uhr, Mittwoch:  10-20 Uhr. Rahmenveranstaltungen unter
2001.deutsches-filmmuseum.de.
Ko-Kurator Nils Daniel Peiler zeigt „2001“ am 20. und am 21. April im Saarbrücker Kino Achteinhalb, einmal mit Diskussion, einmal mit Live-Begleitkommentar (Bericht folgt).

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