„Ostfriesenfluch“ von Klaus-Peter Wolf Das ätzende Gift der Verunsicherung

Saarbrücken · Ein irritierendes Spiel, das dieser Täter anzettelt. Er entführt Frauen. Doch er stellt keine Forderungen. Will kein Lösegeld. Er missbraucht die Frauen nicht. Und als tatsächlich eine der Entführten wieder auftaucht, scheint ihr brutaler Tod bloß eine Art Unfall gewesen zu sein.

„Ostfriesenfluch“ ist bereits der zwölfte Band von Klaus-Peter Wolfs Nordlicht-Krimiserie, deren Erfolg im deutschsprachigen Buchmarkt aktuell ihresgleichen sucht. Dieses Mal konfrontiert Spannungsvirtuose Wolf seine Kommissarin Ann Kathrin Klaasen mit einem Gegenspieler, in den sich selbst die sensible Ermittlerin lange nicht hinein zu denken vermag, dessen Handschrift sie zunächst missdeutet. Verstört ihn das quasi zur Schau gestellte Glück intakter Familien? Weidet er sich am Leid anderer? Offenbar geht es ihm eher um die Folgewirkung seines Tuns, als um die Tat an sich. Wie greift das Verschwinden der Frauen in das Leben der Angehörigen, der Familien, der Männer und Kinder ein? Das Gift der Verunsicherung ätzt sich in die Beziehungsgefüge: Warum ist die Mutter, die Frau plötzlich weg? Hatte sie das alte Leben satt?

Nichts schreckt mehr als das Ungewisse, lässt die Furcht ins Bodenlose stürzen. In Zeiten, da literarische Killer immer blutiger morden, perfider töten, grausiger metzeln, nimmt Wolf sich zurück und schaut stattdessen tief hinter die Fassaden des kleinen, oft vorgeblichen Reihenhaus-Glücks, wo sich die täglichen kleinen Enttäuschungen zu explosiver Unzufriedenheit türmen. Erhellend wie ein Experiment, aber fesselnd wie das wahre Leben.

Klaus-Peter Wolf: Ostfriesenfluch.  Fischer, 508 Seiten, 10,99 Euro.

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