Literatur Damit nicht verbal Blinde kreativ Taube führen

Saarbrücken · Rückenprobleme, Schreibblockaden, Ablenkungsmanöver: Alison Louise Kennedy veranschaulicht ihr Leben als Schriftstellerin.

Im britischen „Guardian“ bediente A. L. Kennedy über drei Jahre hinweg einen Blog, in dem sie im Plauderton Einblick in ihr Schreiben gab. Kann man sich das hierzulande vorstellen? Zwar gibt es auch hier einige wenige Autoren wie etwa Maxim Biller, die sich als Kolumnisten verdingen. Aber drei Jahre lang in eigener Sache? Kennedys Texte, schon vor einer Weile zum Buch gebündelt, sind tatsächlich erstaunlich kurzweilig. Was damit zu tun haben könnte, dass die in London lebende, gebürtige Schottin, die in Deutschland über eine treue Leserschaft verfügt, seit Jahren in ihrer Heimat Schreibwerkstätten abhält. Weshalb ihr Blog denn auch immer wieder den Prozess des Schreibens mit all seinen Fallstricken und Beschwerlichkeiten ins Zentrum rückt.

Noch erstaunlicher als die Laufzeit des Blogs ist, dass Kennedy seit Jahren unter dem Titel „Words“ zugleich mit einem Bühnenprogramm in diversen Ländern unterwegs ist, das sie selbst als „Bühnendarstellung meiner beruflichen Leidenschaften“ umreißt. In ihrer Solo-Performance, nun erstmals abgedruckt, zieht sie eine Bilanz ihres Lebens und Schreibens. Am Ende heißt es darin, an die Adresse ihres Publikums gewandt: „Wir haben gerade so viel Zeit miteinander verbracht, nur wir und Worte – wer hätte gedacht, das so etwas noch geht?“ Vielleicht ist die Antwort darauf, weshalb so etwas heute noch funktioniert, profaner, als man glaubt: Womöglich besteht die Attraktion eines solchen Programms ja darin, dass sich hier eine Schriftstellerin alleine auf die Bühne stellt und nicht liest, sondern sich als Alleinunterhalterin versucht. Liest man „Words“, erschließt sich dessen Erfolg jedenfalls nicht ohne weiteres.

Umso interessanter sind dafür die Blogbeiträge Kennedys. Etwa wenn sie über Workshops schreibt, bei denen „die verbal Blinden die kreativ Tauben führen“. Oder sie ihre umfangreichen Recherchemethoden für ihre Romane umreißt: „Dann muss ich freistehende menschliche Wesen aufsuchen und belästigen“ (sprich, Fremde oder Freunde befragen), notiert sie. Ihre Figuren erprobt sie im echten Leben. „Manchmal ist es gut, im Geist atemlos mit jemand anderem Schritt zu halten zu versuchen; sich verzweifelt festzuklammern, bis im limbischen System irgendetwas Peng macht und man glücklich auf den Rücken fällt, während der andere Mensch, kaum außer Atem, weiterjoggt.“ Ob es um Rückenprobleme, Schreibblockaden, Ablenkungsmanöver oder Entbehrungen geht: Alison Louise Kennedy veranschaulicht ihr Leben als Schriftstellerin ihrem Blog-Format entsprechend dosiert mit hintergründigem Ernst und charmanter Süffisanz und Komik, so dass mühelos dabei bleibt, wer an tieferen Einblicken in literarisches Leben interessiert ist.

A.L. Kennedy: Schreiben. Blogs & Essays. Übersetzt von Ingo Herzke. Edition Akzente, Hanser, 207 S., 22 €.

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