Start des Colors-of-Pop-Festival Club der gedankenflinken Dichter

Saarbrücken · Super Start für das Colors-of-Pop-Festival in Saarbrücken: Der Poetry Slam im Staatstheater war ein großes Vergnügen.

 Alle Augen schauen auf den Dichter: Beim Poetry Slam im Saarländischen Staatstheater mussten sich am Samstagabend acht Live-Dichter im Großen Haus jeweils allein dem Publikum stellen, hier „Fee“ und Andrea Maria (r).

Alle Augen schauen auf den Dichter: Beim Poetry Slam im Saarländischen Staatstheater mussten sich am Samstagabend acht Live-Dichter im Großen Haus jeweils allein dem Publikum stellen, hier „Fee“ und Andrea Maria (r).

Foto: Oliver Dietze

Voller wird das Staatstheater auch zu Premieren nie. Wann aber war es zuletzt so jung? Vergessen wir mal die ergrauten oder teuer nachcolorierten Ehrenreihen vorn. Vor allem aber: Wann hat man zuletzt so gelacht und ging anregend amüsiert nach fast vier, überhaupt nicht langen Stunden raus aus dem Großen Haus? Dazu bedenke man noch: Es galt ja nur dem Wort das Wort.

Aber stopp: Es spricht ja erst mal für das Saarbrücker Theater, dass man sich am Samstagabend solche gedankenkluge und sprechflinke Konkurrenz ins Haus holte. Wie diese Poetry-Slammer zum offiziellen Start des ersten Colors-of-Pop-Festival (COP). Und chapeau vor Matthias Almstedt, dem kaufmännischen Chef der Bühne. Der begrüßte die jungen Live-Dichter nämlich in einem Abkürzungs-Staccato ganz nach deren Façon: „Theater voll, – toll. Und jetzt MFG von MA und weiter zu AKK“. Der Mann der Zahlen im Theater auf jeden Fall auch einer der Worte. Zudem der Einzige, der sich tatsächlich auf das einließ, was der Abend bot. Die übrigen Eröffnungsredner konnten oder wollten dann nicht aus ihrer Politikerhaut, sagten wie Ministerpräsidentin und Kulturminister nach wohl bekannter Art Erwartbares. Zuletzt dann der überraschend lampenfiebrige Festival-Chef Thilo Ziegler. Dabei ist er, der ja auch die Saar-Erfolgsfestivals „Rocco del Schlacko“ und „Electro Magnetic“ verantwortet, doch ein Routinier. Bloß ein „Testballon“ sei nun die erste COP-Ausgabe, redete er das zehntägige Festival klein. Andere Festspielpatrone aber wären angesichts der schon ausverkauften Termine bereits vor Macher-Stolz geplatzt. Ziegler aber hielt sich bescheiden. Sympathisch.

 Doch nun zum Sängerkrieg nach Art des 21. Jahrhunderts: Acht Slammer traten da zum Wettstreit über drei Runden an. Nach K.O.-System Mit dem Publikum als Schiedsrichter: Wer den meisten Beifall für seinen Text bekommt, ist weiter. Eigentlich ist das ein Riesending in so einem gewaltigen Theater für über 1000 Zuschauer. Heißt das doch, dass da einer auf nackter Bühne, jeweils fünf Minuten lang, nur mit seinem Text bestehen muss. Mehr Sprachintensität und Bühneneinsamkeit schafft auch ein Hamlet-Monolog kaum. Der Club der Saarbrücker „Dschungeldichter“, der seit Jahren auch die Poetry Slams in der Camera zwo organisiert, hatte allerdings bestens vorgesorgt und quasi die Crème de la crème der Bühnenpoeten aus der Republik und dem Saarland versammelt. Den akrobatischen Wortverdreher Lasse Samström etwa, den Jugendkultur-Nostalgiker Sebastian Lehmann und den hübsch altmodisch in Erhardt-Manier kalauernden Ody vam Bruok. Klar, die Grenzen zwischen nobler Dichtung und den eher schlichten Comedian-Wahrheiten, wie sie der Anheizer Patrick Salmen mit verbreitete, flossen da beständig. Wobei mancher auch unverdrossen wie der Mannheimer Artem Zolotarov mit einer Personifikation der Angst ins Literarische vorstieß. Solches wagte auch die saarländische Slam-Könnerin Andrea Maria. Sie ließ eine heutige Szene-Größe auf Dichter-Titan Goethe prallen, Faust auf Goethes „Faust“ sozusagen.

Knapp musste sie sich nur Felicia Brembeck alias „Fee“ geschlagen geben. „Wenn schlau das neue Schön wäre“ sinnierte sie geistreich über eine Verkehrung der Verhältnisse. Kein Wunder, dass die einstige Deutsche Slam-Meisterin (U 20) bis ins Finale vorrückte, wobei ihr permanentes Bildungs-Kokettieren irgendwann die Nervgrenze streifte.

Dagegen zeichneten sich die Texte von Josefine Berkholz, die am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert, durch scharfsichtige Blicke etwa auf den Generationenkonflikt im lakonisch-ironischen Wortgewand aus. Auch sie stand im Finale. In dem es überraschender Weise drei Konkurrenten gab. Zu stark war das Feld, als das sich das Publikum immer entscheiden mochte. So zogen Berkholz und der Wupperthaler Jan Philipp Zymny auch mal eine Runde als Duo weiter, collagierten bravourös ihre Texte. Am Ende aber hatte Zymny dann, ein „Typ 50 Prozent Kuschel, 50 Prozent Knuddel“ die Nase vorn. An der Oberfläche mögen seine Alltagsmemorabilia Comedy sein, er aber baut sie durch Rollen und Stimmen springend zu Dramen aus. Multiple Persönlichkeitsspaltung als Humorprinzip. Toll seine Texte, grandioser noch sein Auftritt. Und darum auch zurecht der Sieger, wobei ja alle im Theater einen köstlichen Abend gewonnen hatten.

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