Deutsche Radio Philharmonie Chichon schmeißt hin

Saarbrücken · Chefdirigent der SR-Philharmoniker tritt zurück – angeblich wegen Einsparungen.

 Guten Zeiten folgten schlechte Zeiten: Karel Mark Chichon bei seiner ersten Pressekonferenz als DRP-Chefdirigent 2011. Foto: Iris Maurer

Guten Zeiten folgten schlechte Zeiten: Karel Mark Chichon bei seiner ersten Pressekonferenz als DRP-Chefdirigent 2011. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Was für eine Dramatik! Wenn sich aber Empörung und Inszenierung mischen, muss man etwas genauer hinschauen. Doch erst mal die Fakten: Per Mail verkündete Karel Mark Chichon am Sonntag, fünfzehn nach zwölf war's, seinen Rücktritt als Chefdirigent der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern (DRP). "Mit sofortiger Wirkung", unterstreicht der Brite. Grund seien die Kürzungen, die der Saarländische Rundfunk plant (wir berichteten).

Ein Zehn-Punkte-Einspar-Papier hatte SR-Intendant Thomas Kleist vorige Woche präsentiert, weil die Rundfunkbeiträge nicht so sprudeln. Punkt eins der Streichliste: das populäre Halberg Open Air. Doch auch das Orchester, das SR und SWR gemeinsam tragen, muss bluten. Von 2019 an gibt's rund 100 000 Euro pro Jahr weniger für die DRP. Vor allem bei Konzerten und Solistengagen wird's fehlen. Ein merklicher Einschnitt also. Aber auch eine Katastrophe? Zur besseren Einschätzung noch dies: Der Saarbrücker Sender rechnet jährlich mit rund 9,4 Millionen Euro für die DRP.

Chichon allerdings urteilt anders. "Ich scheide unter Protest und in Solidarität mit den Musikern der Deutschen Radio Philharmonie aus", teilt er jetzt mit. Seine Restzeit als DRP-Chef war ohnehin befristet: Am 31. Juli sollte sowieso alles vorbei sein; sein Nachfolger wird der Finne Pietari Inkinnen. "Wir dürfen den fortschreitenden Abbau einer künstlerischen Einrichtung wie der eines Radiosinfonieorchesters nicht länger hinnehmen", wettert der heißblütige Brite mit Wohnsitz Malaga. Er nehme ob seines Protestes sogar "finanzielle" und "persönliche Nachteile" in Kauf. Welche genau, war allerdings gestern nicht in Erfahrung zu bringen.

Der SR wiederum reagierte eher knapp und kühl auf die Brandmail aus Malaga. Kleist und sein Intendanten-Kollege Peter Bodgoust vom SWR bedauerten die Entscheidung, heißt es: "Wir werden dies akzeptieren. Zugleich danken wir Karel Mark Chichon für die geleistete Arbeit mit der Deutschen Radio Philharmonie. Sie war erfolgreich und künstlerisch wertvoll." Dürre Zeilen. Üblicherweise schicken Sender scheidenden Dirigenten ausufernde Elogen hinterher. Hier spricht die Kürze wohl Bände.

Der SR muss nun für drei DRP-Konzerte mit Chichon rasch Lösungen finden. Das nächste steht bereits am Sonntag an. In der Ersatzbeschaffung hat man auf dem Halberg aber Routine. "Krankheitsbedingt" sagte der Mittvierziger zuletzt einige Termine ab. Längst kursierte da das Bonmot, der Maestro sei weniger indisponiert als indigniert - darüber, dass man ihn auf dem Halberg nicht so schätze, wie es ihm gebühre. Und hinter vorgehaltener Hand sagt man: Chichon habe die Rotstiftrunde jetzt wohl nur als willkommenen Anlass genutzt, das mittlerweile ungeliebte Engagement zu beenden.

Tatsächlich aber hatten Chichon und die DRP seit 2011 auch sehr gute Zeiten mit exzellenten Konzerten, in die das Publikum strömte. Herzlich aber war das Verhältnis des feurigen Briten zum deutschen Orchester nur während eines kurzen Honeymoon. Denn Chichon forderte künstlerisch viel, überforderte auch, gilt manchen als divenhaft und launisch. So war es schon nicht verwunderlich, dass 2015 der Vertrag des Dirigenten mit der DRP in "beiderseitigem Einverständnis" nicht verlängert wurde. Nun ging die Zeit mit Chichon aber noch schneller vorbei als erwartet. Doch irgendwie auch so, wie man es von ihm erwarten konnte.

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