Festival Perspectives Bezaubert von Circa Tsuica

Saarbrücken · Von Esther Brenner

 Freihändig de luxe: „Maintenant ou Jamais“.

Freihändig de luxe: „Maintenant ou Jamais“.

Foto: Oliver Dietze

Schon beim Eintreten ins Zelt auf dem Tbilisser Platz vor dem Saarländischen Staatstheater zeigt sich: Dieser Zirkus ist außergewöhnlich. Begrüßt wird jeder Zuschauer von einem der Artisten, herzlich wie ein alter Bekannter mit französischem Bisou auf die Wangen. Bevor es losgeht, trinkt man erst mal ein Gläschen mit den überraschten, strahlenden Gästen, die sich bei Vin rouge oder blanc beziehungsweise einem typischen französischen Syrup-Getränk wie bei einer Einladung ins häusliche Wohnzimmer fühlen. Mitmachen wird bei „Mainteneant ou jamais“ großgeschrieben! Jetzt oder nie – diese witzige Truppe feiert sich selbst und das Leben.

14 musikalische Artisten – oder artistische Musiker? – schaffen eine wunderbar persönliche Atmosphäre noch bevor sie mit ihrem wahnwitzigen Programm auf Fahrrad, Wippe und am Trapez begonnen haben. Fahrradakrobatik in allen möglichen halsbrecherischen Konstellationen ist ihre Spezialität: Sechs Akrobaten auf einem Fahrrad, neun auf drei Fahrrädern, der Drahtesel vor einer imaginären Kutsche. Man tritt nicht nur in die Pedale, man kurbelt sie auch wie ein Spielmann oder benutzt Rahmen und Räder als Musikinstrument. Das alles wäre schon erstaunlich genug – und doch überbieten es diese an Frankreichs Top-Zirkusschule ausgebildeten Artisten mit ihrer Musik! Denn sie sind nicht nur ein super Artisten-Team, sondern eine fantastisch klingende Brass Band, die zu ihren waghalsigen Turnereien einen eigenen Soundtrack spielt.

Es gibt unglaublich viel zu lachen und immer wieder werden Menschen aus dem Publikum zum Mitmachen auf die Bühne geholt. Mal müssen sie mit den in ihre Instrumente blasenden Artisten schwoofen, dann eine Trommel schlagen oder auf dem Fahrrad mitfahren. Das produziert viel auch surreal anmutende Situationskomik und passt ganz wunderbar zu dieser herzlichen Truppe, bei der viel geküsst und geschmust wird und Berührungsängste zwischen Artisten und Publikum schon gar nicht aufkommen. Zum Schluss verabschieden sich Circa Tsuica wie sie gekommen sind: mit einem Gläschen und ein paar Häppchen in der Manege.

Festival-Chefin Sylvie Hamard ist es wieder einmal gelungen, einen Cirque Nouveau der Extraklasse nach Saarbrücken zu holen. Das Saarbrücker Perspectives-Publikum hat über die Jahre viel erstklassige Zirkuskunst gesehen – und doch bot Circa Tsuica überraschend Neues. Wunderbar!

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