Festival Perspectives Bezaubernde Hommage an das Theater

Saarbrücken · Vor drei Jahren gastierte Familie Flöz schon einmal bei den Perspectives mit „Hotel Paradiso“. Am Montagabend war das Theaterkollektiv mit seinen wunderschönen Masken im Saarbrücker Staatstheater zu Gast und zeigte das neue Stück „Teatro Delusio“.

 Mit ausdrucksstarken Masken wie dieser ließ Familie Flöz ihr „Teatro Delusio“ in Saarbrücken entstehen.

Mit ausdrucksstarken Masken wie dieser ließ Familie Flöz ihr „Teatro Delusio“ in Saarbrücken entstehen.

Foto: Valeria Tomasulo

In diesem neuen Stück  führen drei Puppen- und Schauspieler die Zuschauer hinter die Kulissen eines Theaters. Auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu erfassen, ist die Perspektive, aus der man auf das Geschehen schaut. Denn das Publikum befindet sich mit den Bühnenakteuren „backstage“, also hinter der Bühne. Und erlebt dort mit drei Bühnenarbeitern Herz und Schmerz des Theaterlebens.

Die drei könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine ist ängstlich und schusselig. Statt zu hämmern und zu bohren nutzt dieser intellektuelle Schöngeist jede Gelegenheit, sich in seine Lektüre zu vertiefen. Das Arbeiten überlässt er lieber seinem agilen, muskelprotzigen Kollegen, der so gerne mal den Superhelden spielen würde (und das auch tut) und keine Gelegenheit auslässt, den Macker zu machen. Der Dritte im Bunde, ein kleiner, serviler, melancholischer Dicker, versorgt die Stars der Bühne aus einem großen Koffer mit Requisiten, Spaghetti und Kaffee. Er sieht zu, dass es bei seinen Kollegen friedlich bleibt. Doch stille Wasser sind tief – und das Theater ist offenbar eine Schlangengrube: Am Ende ist er es, der die Demütigungen eines Hauptdarstellers nicht mehr erträgt und ihm eine geladene Pistole für den Bühnenselbstmord als Requisite in die Hand drückt.

Mord, Liebe, Eifersucht, Arroganz, Geltungssucht – Andrès Angulo, Daniel Matheus und Thomas van Ouwerkerk bringen den Theaterkosmos mit viel Humor, ihren wechselnden, originellen Masken, den fein gesetzten Bewegungen und ihrem pantomimischen Talent beeindruckend auf die Bühne. Denn neben ihren drei Hauptrollen schlüpfen sie unter Masken und in Kostüme von gut einem Dutzend weiterer Charaktere, die sich im Theater, dem Tummelplatz für Illusionen, finden lassen: Da ist zum Beispiel die hochnäsige Opern-Diva, die permanent an ihren langen schwarzen Haaren rumzottelt und mit großer Geste im Barockkostüm auf die Bühne stürmt. Oder die verunsicherte, verletzte Balletttänzerin, die der Ballettmeister mit seinem offensichtlichen Faible für Männer unerbittlich auf die Bühne treibt. Der Schöngeist „rettet“ sie und springt mit ihr in die (Requisiten-)kiste. Es treten ferner auf: eine Reihe Orchestermusiker, von denen vor allem der greise Geiger mit seiner grotesk spitzen Nase eine herzzerreißend-komische Figur abgibt: Er schläft auf der Hinterbühne ein und schüttelt sich vor Lachen über sein eigenes Missgeschick, dass es eine Wonne ist.

Großartig auch der Techno-Tanz des Muskel-Machos mit der Theater-Putzfrau. Der Regisseur – erkennbar am weißen Schal – tyrannisiert seine Schauspieler, wie es das Klischee eben  hergibt. Und immer schaut einer der Bühnenarbeiter zu. Manchmal mischen sie sich ein, dürfen Teil dieser hochdramatischen bunt-faszinierenden Theaterwelt sein. Dann wieder ignoriert man sie. Die Akteure schöpfen das ganze Repertoire der üblichen Theaterklischees aus. Beeindruckend sind die ausdrucksstarken Masken, die die Familie Flöz selbst entwirft und fertigt. Zuweilen hat man den Eindruck, als hätten sie Mimik. Es wird nicht geredet, aber die Musik – von Oper über Tschaikowskys „Schwanensee“ bis hin zu Ravels „Bolero“ – transportiert viele Emotionen.

Nicht alle Szenen sind gleichermaßen gelungen, manchmal erschöpft sich auch das Bewegungsrepertoire. Dennoch: „Teatro Delusio“ ist außergewöhnlich. Man muss genau hinsehen. Das verlangt dem Publikum Geduld ab. Hier geht es um die Liebe zum Detail, um kleine Begebenheiten, Gesten, Aktionen, Emotionen. Um Entschleunigung. Auch wenn auf dieser Hinterbühne mit ihren rasanten Rollenwechseln ganz schön viel los ist.

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