Erklärung für Besucherschwund Mönig oder die Magie der kleinen Zahl

Saarbrücken · Der Besucherschwund in den Museen hängt nicht am Programm, sagt der Stiftungsvorstand. Er stellt die Ausstellungen für 2019 vor.

 Kontrastprogramm zu Pae White: Giuseppe Penone – hier seine Installation „Ripetere il bosco“ von 2014 – wird den zentralen Raum im Saarbrücker Museumsneubau gestalten.

Kontrastprogramm zu Pae White: Giuseppe Penone – hier seine Installation „Ripetere il bosco“ von 2014 – wird den zentralen Raum im Saarbrücker Museumsneubau gestalten.

Foto: Giuseppe Penone 2019, photo © Archivio Penone/Ruggero Penone

Zahlenakrobatik mag Roland Mönig gar nicht. Doch weil er als Vorstand der Stiftung Kulturbesitz vergangenes Jahr eine neue, wie er meint, aussagekräftigere Zählweise in den sechs Stiftungs-Häusern einführte, muss er nun doch über Statistiken reden. Insbesondere über den Unterschied zwischen gezählten Besuchern und deren Besuchen. Denn nur so erklärt sich Mönigs Zufriedenheit mit der Jahresbilanz 2018. Die fiel, wie bereits gemeldet, ernüchternd aus: 120 000 Besucher statt 255 000 wie vor der mit dem Erweiterungsbau einhergehenden Krisenzeit. Der krasseste Schwund betrifft die historischen Museen am Schlossplatz. Sie stürzten von rund 42 000 Besuchern (2010) auf eine 5500er-Quote ab. Das liegt laut Mönig hauptsächlich an der Einführung von Eintrittsgeldern.

 Generell jedoch mache sich eine neu eingeführte Zählweise bemerkbar. Laut Mönig wurden bis dato die Besucher jeder Sonderschau oder auch der Dauerausstellung gesondert gezählt und die Besucherzahlen dann summiert. Ein Besucher konnte in der Statistik also mehrfach auftauchen, wenn er mehrere Stationen aufsuchte. Heute zählt die Stiftung nur noch den einzelnen Besucher, wohin auch immer es ihn in der Modernen Galerie zieht. Wirklich vergleichbar sind dadurch nur noch die Einzel-Projekte, also etwa Slevogt (29 000) mit der Chagall-Schau 2010 (31 570) oder mit Klee vier Jahre zuvor (43 000). Dadurch relativiert sich die Abwärtskurve erheblich. Zudem zeigt sich, dass zeitgenössische Kunst ihr Stammpublikum und keine Chance auf Massenzuspruch hat, egal, welcher Museumschef sie präsentiert.

 Roland Mönig, Vorstand der Stiftung Kulturbesitz.

Roland Mönig, Vorstand der Stiftung Kulturbesitz.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Bei Mönig wollten im vergangenen Jahr 7587 Menschen die Großformate von Thomas Meier-Castel sehen, 3719 die Fotografien Hans-Christian Schinks. Bei Interimschef Meinrad Maria Grewenig lag der Fall ähnlich: Die Roland-Fischer-Foto-Schau landete bei 8307 Besuchern, und selbst im Glanzjahr 2010 sprang der Zuspruch für Katja Strunz (5000) und Vincent Tavenne (2200) nicht in Rekordhöhen. So gesehen: Alles ist gut? Mönig sagt: „Besucher verlieren geht in Kulturinstitutionen schnell, gewinnen nur im Langzeitprozess. Wir mussten nach den schwierigen Jahren erst wieder richtig Fuß fassen, und das haben wir geschafft. Das Museum ist wieder ein Punkt auf der Landkarte.“ Für Mönig zählt vor allem die Verstetigung des Aufwärtstrends in der Modernen Galerie von 18 000 (2013), bevor er sein Amt antrat, über 27 000 (2015) bis hin zu 57 000 (2018). Trotzdem argumentiert der Stiftungschef ungern mit Zahlen, weil er möchte, dass man die Moderne Galerie vordringlich mit einem in Verbindung bringt: mit Qualität.

Die Menschen sollen kommen, egal, was gezeigt wird, weil sie ihm und seinem Team vertrauten. „Das ist unser Anspruch.“ Und dann nennt Mönig die einzige Zahl, die ihn wirklich elektrisiert: 200. Es ist dies der Zuwachs an Mitgliedern in der Fördergesellschaft allein im Jahr 2018: „Das sind 200 Menschen, die uns nach der Krise wieder vertrauen und die sich zu uns bekennen.“ Damit sieht Mönig die entscheidende ideelle Kehrtwende geschafft – Magie der kleinen Zahl. Für ihn ein Erfolg programmatischer Konsequenz, weshalb sein Jahresprogramm 2019 auch an vorgezeichneten Linien anknüpft. Mönig bringt regionale Künstler, vertieft Sammlungs-Schwerpunkte wie Skulptur oder Fotografie und aktiviert die neuen architektonischen Energien. Das größere Haus, das dynamischer bespielt wird, verlangt freilich auch einen Tribut: drei Monate Pause zu Jahresbeginn, wegen Ausräum- und Umhäng-Aktionen. „Frühere Projekte hatten nicht dieselben Dimensionen und das Museum insgesamt auch nicht“, so Mönig.

2019 entfällt ein Blockbuster aus der Klassischen Moderne. Eine neue Form der Kinder- und Familienausstellung „Von schön bis schaurig. Das Bild vom Tier“ (Arbeiten auf Papier) könnte zumindest für breite Akzeptanz und Sympathie sorgen. Das Großprojekt des Jahres kommt erst im September und wagt eine überraschende Kombination zweier großer Namen: Auguste Rodin (1840-1917) und Bruce Nauman (geb. 1941). Es sind dies zwei Revolutionäre der Kunst, die für ihre Epoche die Skulptur und das Thema Körperlichkeit neu definierten. Durch das Herausschälen ähnlicher Motive soll man den Klassiker Rodin wie auch Nauman neu wahrnehmen.  Mönig wird die Schau mit der ungewöhnlichen Themensetzung selbst kuratieren.

Außerdem wird sich der Erweiterungsbau grundlegend verwandeln, denn die Installationen von Pae White und Peter Riedel verschwinden. Der im Arte-Povera-Fach höchst gerühmte Giuseppe Penone  holt stattdessen den Wald ins Museum. Ab April ziehen Penones Baum-Skulpturen in den Herz-Raum des Neubaus. Naturhaft, karg, anrührend – das könnte sich nach Pae Whites süffiger Farborgie wie eine Eismeerdusche anfühlen. Ab Sommer wird die Saarbrücker Professorin Katharina Hinsberg das Panorama-Obergeschoss gestalten. Sie ist für raumfüllende, sinnliche „Zeichnungen“ mit Seidenpapierfäden bekannt. Mit ihr bringt Mönig die regionale Komponente zum Tragen, die im Programm nochmal durch Man Ray (1890-1976) auftaucht.

Der Regisseur, Fotograf, Objektkünstler war regelmäßig an der für Subjektive Fotografie berühmten Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken zu Gast. Last but not least taucht der bekannte Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann mit seinem Projekt „100 Jahre“ auf – einer, der das Unspektakuläre mit großen Gedanken zu verbinden versteht. Das ist ohne Zweifel ganz nach dem Gusto Mönigs.

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