Spitzen-Klassik aus dem Saarland „Barfuß spielen wir nicht“

Quierschied · Solo und im Duo sind Esther und Lea Birringer erfolgreich. Im Januar erscheint die neue CD der Schwestern, eine hochromantische.

 Die neue CD „Lifelines“ von Esther und Lea Birringer (r.) erscheint erst Ende Januar, doch die romantischen Bilder für das Album der beiden Schwestern aus Göttelborn sind schon gemacht.

Die neue CD „Lifelines“ von Esther und Lea Birringer (r.) erscheint erst Ende Januar, doch die romantischen Bilder für das Album der beiden Schwestern aus Göttelborn sind schon gemacht.

Foto: Lea und Esther Birringer/Karolina Koprek/KAROLINA KOPREK

Wer die beiden jenseits der Bühne plaudernd erlebt, rätselt nicht mehr, warum Kritiker von ihrem „symbiotischen“ Spiel schwärmen. Vom traumwandlerischen musikalischen Verständnis, mit dem Lea und Esther Birringer auch dem neuen schicken Quierschieder Kultursaal „Q.lisse“ dieser Tage gleich eine Sternstunde bescherten. Selbst in einem Duo ist solches Musizieren frei jeder Rivalität keine Selbstverständlichkeit. Schon gar nicht bei Musikerinnen, die als Solistin immer wieder das Gefühl kosten, ein Sinfonieorchester hinter sich zu spüren. Und sich damit auch als Nummer eins behaupten (müssen) – vor 70, 80 und noch mehr Profis. Doch Lea und Esther Birringer sind eben auch Schwestern. Wie zwei aufgekratzte Teenager jauchzen, lachen sie los. „Ich“ und „wir“ meint bei ihnen oft untrennbar dasselbe. Den Satz, den die eine lossprudelt, pointiert die andere. Dialoge perlend wie ein Mozart-Duett.

Darf man sich so auch das schwesterliche Proben vorstellen? Klar helfe die familiäre Ur-Vertrautheit, meint Esther, mit 34 die Ältere und auch Resolutere. Schließlich kenne man sich auch musikalisch seit dem Krabbelalter. Musizierte früh schon gemeinsam im Göttelborner Wohnzimmer. Und auch später noch, als „Jugend musiziert“-Auszeichnungen quasi Standard wurden. „Komplimente können wir uns uns sparen“, sagt Lea, die drei Jahre Jüngere. Warmlaufen wie mit fremden Musikerkollegen brauchen sie nicht. Für Kammermusik ein unschätzbarer Vorteil.

Doch die Gleichung, zwei musikalisch höchstbegabte Schwestern macht ein exzellentes Kammermusik-Duo, ging nicht sofort auf. Solo flügge werden: Beide wollten das – so gesehen doch wieder eine Gemeinsamkeit. Nach ihren Studien machten sie sich erst getrennt voneinander einen Namen. Lea wie Esther traten und treten regelmäßig mit wichtigen Orchestern auf. „Fifty, fifty“ soll auch künftig die Aufteilung zwischen schwesterlichem Doppel und Solozeit bleiben. „Und ohne Reibung geht es nicht“, sagt Esther. Heißt: Sie, die Pianistin, will beim Proben erst mal den Fluss, ein Stück spielen, es sich entwickeln lassen. Lea möchte gleich an die Details. Gar nicht so einfach, da zum Konsens zu finden, zumal beide auch lehren, gewohnt sind, dass Schüler ihnen, den Meisterinnen, zuhören. Lea Birringer unterrichtet in Italien. Einmal im Monat macht sie sich von ihrer Wahlheimat Karlsruhe zu Meisterkursen nach San Vito al Tagliamento in Venetien auf. Esther Birringer lehrt in Hannover, wo sie lebt, und zudem in Dresden an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber.

Unentwegt auf Tour in Sachen Klassik, das ist für die aus dem Saarland stammenden Schwestern seit Jahren Alltag. Musikerinnen wollten sie werden, seit sie denken können. Doch ist es der Traumberuf? „Manchmal es auch ernüchternd“, sagt Esther. Lea ergänzt: „Die Leute fragen immer, wie lange ich übe.“ Dabei seien sie eher Frauen für alles: Managerin, Textautorin ihrer CD-Booklets, Bürokraft und nicht zuletzt und immer wieder Geldauftreiberin. Ohne, dass für dieses Rackern im Namen der Kunst Wertschätzung garantiert wäre. Im Gegenteil. Die Peinlichkeit, dass sich die Stadt St. Ingbert jüngst erdreistete, für ihre Musikschule einen top-ausgebildeten Leiter zu suchen, den aber bloß ehrenamtlich entlohnen wollte, sei schon „symptomatisch“ für den Kulturbetrieb, klagt Lea. Als sie kürzlich einen Auftritt in einem renommierten Konzertsaal, „den man sich gerne in seine Biografie schreibt“, verhandelt habe, legte man ihnen nahe, für die Gage doch selbst zu sorgen. Motto: Seien Sie doch froh, dass sie auftreten dürfen. „Doch irgendwann ist Schluss“, befindet Esther.

Entmutigen lassen sich die Zwei dadurch nicht. Auch nicht bange machen. Weil die jungen Frauen meist einem graugreisen Auditorium aufspielen. Die Schwestern gehen als Musikerinnen auch gern in Schulen, erschließen sich so quasi ihr Publikum von übermorgen. Und sie sind kreativ dabei, Neues auszuprobieren. Ihre CD ,„Lifelines“, die am 26. Januar erscheint, haben sie wesentlich per Crowdfunding finanziert. Was überraschend gut lief, obwohl das Klassik-Publikum erst mal von sowas Neumodischem überzeugt werden wollte.

Doch wozu eigentlich diese Produktionshilfe von der Basis? „Geld verdienen mit CDs kann man schon lange nicht mehr“, sagen die Birringers. Aber man braucht sie halt – als Visitenkarte für Veranstalter, damit Kritiker hinhören und natürlich für Konzertgäste, die nach klingenden Souvenirs fragen. Hochdramatisches und Tiefromantisches von Grieg, Liszt und Franck versammelt „Lifelines“, übrigens beim SR aufgenommen. Und ein Klanggenuss durch und durch.

Dafür haben sich die Schwestern auch verführerisch in magischem Gegenlicht ablichten lassen. Notwendiges Marketing? Ja, aber auch das habe Grenzen. „Barfuß auftreten werden wir sicher nicht“, betont Esther in Anspielung auf das prominente Klavier-Bad-Girl Alice Sara Ott. Und was macht das Doppel, wenn es mal nicht der Musik gilt? Lea zieht es weit weg. Je ferner, desto besser. Nach Asien oder Südamerika. Mit Rucksack, ganz puristisch. Und dann bloggt sie über ihre Erfahrungen. „Wäre ich nicht Musikerin, wär’ das da mein Ding, Reisejournalistin“, sagt Lea. Esther sehnt sich eher nach ein paar Wochen Auszeit auf einer österreichischen Alm oder nach ihrem Garten in Hannover. Ob dafür aber viel Zeit bleibt, bei all den musikalischen Gipfeln, die sie noch stürmen wollen?

 Ein Bild aus ganz frühen Tagen: Esther (als Zehnjährige) und Lea (als Siebenjährige) im heimischen Wohnzimmer in Göttelborn.

Ein Bild aus ganz frühen Tagen: Esther (als Zehnjährige) und Lea (als Siebenjährige) im heimischen Wohnzimmer in Göttelborn.

Foto: Misof
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