Musical in Duisburg „Augen zu und durch“ beim Wolfgang-Petry-Musical in Duisburg

Duisburg · „Wahnsinn“ heißt die Produktion, die viele Hits des deutschen Schlagerstars auf die Bühne bringt – aber ganz will das Konzept nicht aufgehen.

 Peter (Enrico De Pieri, rechts) und Wolf (Mischa Mang), beim Bier in der „Wahnsinn“-Kneipe.

Peter (Enrico De Pieri, rechts) und Wolf (Mischa Mang), beim Bier in der „Wahnsinn“-Kneipe.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Das Theater beginnt schon vor der Tür. Mit dem Porsche Cayenne von Guido Cantz. Das Auto ist auf dem Bürgersteig geparkt, weißer Lack, schwarzer Aufdruck, „powered by Porsche Zentrum Bensberg“. Cantz macht mit dem Wagen draußen Werbung für seine nächste Tournee, der Komiker selbst ist längst drinnen, im Warmen, so wie Guildo Horn und Giovanni Zarrella. Auch Maite Kelly gehört zu den Jüngern Petry, wie Heino und Hannelore und Ralph Siegel. Der Komponist („Ein bisschen Frieden“) kommt pünktlich zum ersten Gong. Auf dem roten Teppich lässt er sich noch schnell mit einem Schild in der Hand fotografieren, das den Abend gut zusammenfasst. Auf dem Schild ein Petry-Zitat: „Augen zu und durch“.

Im Duisburger Theater am Marientor feierte das Musical „Wahnsinn“ Uraufführung, mit den Songs von Wolfgang Petry. Der einstige Schlagerstar hat sich vor Jahren aus dem Showgeschäft zurückgezogen und ist nicht gekommen. Ins Rampenlicht wolle er nicht mehr, lässt er verkünden, aber: „Reißt die Hütte ab!“ Nach drei Stunden steht sie noch. Das Problem ist die Omnipräsenz des Abwesenden. Drei Dutzend Songs werden an diesem Abend an- und durchgespielt und manche wiederholt, darunter eigentlich nur Hits, da bleibt wenig Raum für anderes, eine Geschichte zum Beispiel. Die sollte sich in diesem Musical eben nicht um das Leben von Wolfgang Petry drehen, die Autoren haben sich etwas gänzlich Neues ausgedacht. Ihr „Wahnsinn“ erzählt vom Verlieben, Schlussmachen und Zurückerobern. Und weil Petrys Oeuvre nun mal viele Songs bereithält, die diesen Komplex bedienen, mussten gleich vier Paare her, die zwischen den Songs als Brückenbauer agieren. Es wirkt denn alles auch recht konstruiert.

Da sind zum Beispiel Sabine und Peter, sie ist mit ihm verheiratet, er ist mit seiner Spedition zusammen. Sie möchte sich trennen, also singt sie „Ich will das alles nicht mehr“, und im Duett folgt „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n“. Als Peter herausfindet, dass Sabine ihn mit seinem Freund Wolf betrogen hat, singt Wolf entschuldigend: „Jeder Freund ist auch ein Mann“. Peters Antwort: „Der Himmel brennt“. Und weil sich Wolf, Peter und Sabine schließlich noch versöhnen müssen – dieses Musical soll schließlich nicht als Drama enden –, geht das alles zack, zack, denn solange gesungen wird, tritt die Handlung zumeist auf der Stelle. Petrys Lieder sind gemacht als Anheizer, nicht als Antreiber, versteht man jetzt. Später singen Peter und Wolf „Das steh’n wir durch“, und Wolf findet zu seiner alten Liebe Jessica zurück. Sie sagt: „Du bist es wirklich!“ Und er singt: „Du bist ein Wunder“. Alles gut. Fans von Wolfgang Petry werden sich trotzdem freuen, diese Songs wieder mal live hören zu können, und sie lassen ja auch keinen aus in „Wahnsinn“. Nur spannend ist das nicht, berührend auch nicht. Eher Bronze als Gold.

Was toll ist: die Band. Sie ist dauerpräsent, hat einen festen Platz auf einer Lkw-Ladefläche im hinteren Bühnen-Drittel und viel Druck nach vorne. Durch drehbare Bühnen-Elemente wird aus einem Schlafzimmer in Windeseile der Eingang zum Reihenhaus, und aus einer Kneipe wird ein Führerhaus. Die Kneipe heißt übrigens „Whisky Bill“, und in der gleichnamigen Gaststätte wurde einst Wolfgang Petry entdeckt. Es gibt viele solcher liebevollen Anspielungen im Stück, Freundschaftsbänder hier, Holzfällerhemden da.

Petrys Song „Weiber“ lässt Regisseur Gil Mehmert von der Therapiegruppe für Männer mit gebrochenem Herzen aufführen, nicht ohne den Einwand eines Patienten, der Terminus Weiber setze die Frau herab. Nur selten funktioniert der ironische Bruch mit dem Patron Petry so gut. Vieles ist bloß Klamauk, Datt und Watt, Killefit und Mumpitz. Die Hauptfiguren sind in dem Ruhrgebiet zu Hause, das man aus den Komödien der 1990er kennt.

Einmal beugt sich einer über die Landkarte von Spanien und sagt: „Guck mal hier auffe Karte. Da sieht datt gar nicht mal weit weg aus.“ Man denkt da natürlich an die gleiche Szene aus „Theo gegen den Rest der Welt“ und fragt sich, wann es das wohl geben wird: ein Westernhagen-Musical.

Läuft bis 29. April im Duisburger Theater am Marientor. Karten unter
www.westticket.de

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