„Junge Stimmen“ in der Alten Feuerwache Auf dem Spielbrett des Lebens

Saarbrücken · Die Barockoper „Croesus“ ist eine Gemeinschaftsproduktion der Hochschule für Musik Saar und des Staatstheaters.

 Hier streiten und singen Katharina Brandel (Atis), Johannes Kruse (Orsanes), Amrei Wagenführer (Elmira), Gideon Henska (Croesus), Sebastian Gros (Solon), Josefin Bölz (Clerida), Kyong-Mo Seong (Cyrus) und das Ensemble.

Hier streiten und singen Katharina Brandel (Atis), Johannes Kruse (Orsanes), Amrei Wagenführer (Elmira), Gideon Henska (Croesus), Sebastian Gros (Solon), Josefin Bölz (Clerida), Kyong-Mo Seong (Cyrus) und das Ensemble.

Foto: Martin Kaufhold

Während Musiktheater zur Zeit des Barock dem Adel vorbehalten war, gab es im Norden Deutschlands eine Enklave, die diesem Trend wacker trotzte: Die wohlhabende Bürgerschaft der Hansestadt Hamburg leistete sich ein eigenes Opernhaus. Und ihre „Oper am Gänsemarkt“ florierte, nicht zuletzt dank des fleißig zuliefernden Komponisten Reinhard Keiser (1674 – 1739). Dieser beglückte seine Hörer gerne mit Opern, in denen eine „lustige Person“ auftritt – so auch in dem 1711 uraufgeführten Opus „Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus“ (Libretto: Lucas von Bostel). Dieses burleske Element bleibt, in Form eines trunkenen Dieners, nun auch in der Aufführung erhalten, die am Samstag im Rahmen von TAMIS (Tage Alter Musik im Saarland) in der Alten Feuerwache Premiere feierte: Unter dem Nenner „Junge Stimmen“ kooperieren bei dieser Gemeinschaftsproduktion die Hochschule für Musik Saar (HfM) und das Staatstheaters – mehr davon, möchte man nach dieser geglückten Zusammenarbeit sagen.

Der Kürzung zum Opfer fielen hingegen etliche Arien und Rezitative, so dass die Oper von ursprünglich über drei Stunden auf zwei Stunden Spieldauer schrumpft und die Gemeinschaftsszenen stärker in den Vordergrund rücken. Erfreulich, dass auch die zweite Vorstellung am Sonntag vor nahezu ausverkauftem Haus lief. Die Handlung ist kompliziert: Der von Hochmut geblendete, unermesslich reiche Lydierkönig Croesus lässt sich trotz der Warnungen des Philosophen Solon auf einen Krieg mit dem mächtigen Perserkönig Cyrus ein. Es kommt, was bei einer solchen Parabel über Aufstieg, Fall und Läuterung kommen muss: Croesus unterliegt, wird zum Tode verurteilt und mit der Erkenntnis, dass Geld doch nicht glücklich macht, gerettet. Großes Happy End, alle füreinander Bestimmten kriegen sich. Bis dahin jedoch tobt ein Verwirrspiel um Liebeshändel, Verwechslungen, Intrigen.

Die freie Regisseurin Barbara Schöne, die obendrein die Doppelbelastung einer A/B-Besetzung wuppt und selbst für die Ausstattung verantwortlich zeichnet, hebt das Ganze auf eine metaphorische Ebene: Sie inszeniert das Geschehen als Schachspiel – ein stimmiger und visuell schöner Schachzug, der dem 300 Jahre alten, selten aufgeführten Werk neues Leben einhaucht. Könige und Damen sind ohnehin involviert, das restliche Personal steht sich, ebenfalls schwarz-weiß gekleidet, auf dem Spielbrett des Lebens als Springer, Läufer, Türme und Bauern gegenüber. Nur der weise Solon trägt Signalrot. Aus der Grundstellung heraus starten die Figuren zu strategisch mehr oder weniger erfolgreichen Rochaden und Rösselsprüngen; wechselnde Projektionen im Hintergrund spiegeln den jeweiligen Spielstand: Das geometrische Muster des Brettes erscheint zunehmend verzerrt, von üppiger floraler Ornamentik bis zum flammenden Inferno mit zuckenden Blitzen ist alles dabei. Konzept, Ästhetik: wunderbar.

Ansonsten jedoch muss man feststellen, dass sich die Studierenden der HfM mit der barocken Herausforderung nicht so leicht tun wie mit der letzten Opernproduktion, Benjamin Brittens „The rape of Lucretia“. Zwar gelingt es dem vom Cembalo aus dirigierenden musikalischen Leiter Lutz Gillmann, dem seitlich der Bühne positionierten Barockorchester der HfM über weite Strecken den geforderten filigranen, fein gewebten Klang zu entlocken. Weil aber stilecht auf schwer zu bändigenden historischen Instrumenten gespielt wird, gehören etliche Intonations­trübungen quasi zum Programm und bürgen – positiv formuliert – für die Authentizität der hier gepflegten historischen Aufführungspraxis.

Und bei Gesang und Darstellung setzten die Damen die Herren am Sonntag beinahe schachmatt. Die Sängerinnen gefielen fast durch die Bank mit mehr Bühnenpräsenz, geschmeidigerem Gesang und besserer Textverständlichkeit als ihre männlichen Kollegen, denen vor allem die Koloratur-Girlanden hörbar zu schaffen machten. Wollte man jemanden hervor heben: Insbesondere Mezzosopranistin Katharina Brandel begeisterte in ihrer anspruchsvollen Hosenrolle mit natürlichem, wandlungsfähigem Spiel bei makelloser Stimmführung. Bravo!

 Lutz Gillmann dirigiert das HfM-Barockorchester.

Lutz Gillmann dirigiert das HfM-Barockorchester.

Foto: Martin Kaufhold

Wieder: Sa, 21. April, 19:30 Uhr; Sonntag, 22. April, 18 Uhr (letzte Aufführung). Karten Tel. (06 81) 30 92 486.

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