Kühler Wind aus Bayern

Der Fönwind ist normalerweise warm, dieser Wind aus Bayern aber ist eisig kalt und unangenehm. Vor allem für Peer Steinbrück, aber auch für die Grünen.

Von wegen Rückenstärkung kurz vor der Bundestagswahl, von wegen Wende. Es gibt keine Wechselstimmung, die Union mit Angela Merkel soll weitermachen. Das ist eine Kernaussage dieses bayrischen Wahlsonntags.

Man muss sich vor Augen führen, was da gestern abgelaufen ist: Obwohl die überheblich gewordene Regierungspartei CSU Skandale in Serie produziert hat, bekommt sie die absolute Mehrheit. Und obwohl ihr divenhafter Ministerpräsident Horst Seehofer die politischen Positionen dreht und wendet, wie er gerade will, wird er noch mächtiger. All das, obwohl die Sozialdemokraten mit dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude endlich einen Herausforderer von Format aufboten.

Wenn die Bayern nun der CSU und Horst Seehofers nicht überdrüssig sind - warum sollten dann bundesweit die Menschen Angela Merkel und ihre Union abwählen? Es gibt dafür jedenfalls kein realistisches Indiz. Sicher, auch in Bayern geht es nicht allen Menschen gut. Prekäre Arbeitsverhältnisse, schlechte Kinderbetreuung, steigende Mieten, all das, was SPD, Grüne und Linke im Bundestagswahlkampf zu Recht ansprechen. Nur können diese Menschen offenbar weit weniger mobilisiert werden als jene, denen es wirtschaftlich gut geht und die etwas zu verlieren haben.

Noch schlimmer als SPD und Grünen blies es gestern aber die FDP um. Aus der Regierung abgewählt, ohne erkennbaren Grund. Die Liberalen sind entbehrlich, so lautet das vernichtende, emotionslose Urteil der bayrischen Wähler. Jetzt hoffen die Freien Demokraten in der letzten Wahlkampf-Woche auf den Aufstand jener bürgerlichen Schichten, die Schwarz-Gelb einer großen Koalition vorziehen. Nur: Schwarz-Gelb hat im Bund nichts hinterlassen, was ein solches Engagement für sie rechtfertigen würde. Im Gegenteil. Es wird nun abermals ganz eng für die Liberalen.

Freilich, richtig warm ist der Wind aus Süden auch für Angela Merkel nicht. Zwar kann sie sich seit gestern sicherer sein denn je, dass sie Kanzlerin bleibt. Aber mit welcher Koalition? Klar ist nur, dass sie einen noch stärkeren, noch unkalkulierbareren Horst Seehofer im Nacken haben wird. Außerdem muss sie jetzt irgendwie ihre allzu siegesgewissen Anhänger motivieren. Die letzte Woche birgt noch Gefahren, zumal im Bund mehr Parteien als in Bayern antreten. Sieben Tage vor der Bundestagswahl herrscht also eine seltsame Ausgangslage: Einerseits ist es seit gestern nicht mehr so richtig spannend. Andererseits könnte ein knapper Wahlausgang doch noch für Überraschungen sorgen.

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