Kuba lockt Investoren – und lässt sie warten

Havanna · Seit Ende der Eiszeit zwischen Kuba und den USA wächst das Interesse ausländischer Geldgeber an dem sozialistischen Staat. Nun reist Wirtschaftsminister Gabriel auf die Insel. Doch die Castro-Regierung tut sich mit dem Kapitalismus schwer.

Im fünften Stock des Art-déco-Hauses in Havanna ist noch nicht viel Betrieb. Das Gebäude hat schon bessere Tage erlebt. In der einstigen Firmenzentrale des früheren kubanischen Rumherstellers und heutigen Weltkonzerns Bacardí bröckelt an einigen Stellen der Putz von den Wänden. Der neue Mieter, das deutsche Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Rödl & Partner, hofft aber bald auf gute Geschäfte in dem sozialistischen Karibikstaat.

Die Berater setzen auf das wachsende Interesse für den sich öffnenden kubanischen Markt - auch in Deutschland. Denn auf Kuba herrscht gerade Aufbruchstimmung. Die Wende in den Beziehungen mit den USA vor einem Jahr lockt nicht nur amerikanische Firmen auf die Insel, sondern lässt auch Europäer aufhorchen. Seit Jahren wagt Kuba Stück für Stück mehr Kapitalismus .

Mit Sigmar Gabriel reist erstmals seit 15 Jahren ein deutscher Wirtschaftsminister auf die Karibikinsel. Er wolle mit seinem 51-Stunden-Besuch den "vorsichtigen Öffnungsprozess Kubas" bestärken. Und zugleich deutschen Firmen helfen, von dieser Öffnung zu profitieren. Schließlich hätten Spanier, Italiener und Franzosen den Deutschen bisher den Rang abgelaufen, sagt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Bisher sind erst etwa 50 deutsche Firmen auf der Karibikinsel aktiv. Der deutsch-kubanische Handel hatte 2014 nur einen Wert von 224 Millionen Euro.

"Der Erneuerungs- und Investitionsbedarf in Kuba ist hoch und Produkte ,Made in Germany‘ genießen dort einen hervorragenden Ruf", sagte Gabriel. Deutsche Firmen könnten Kuba insbesondere in den Bereichen Energie, Gesundheit oder Maschinen- und Anlagenbau sehr gute Lösungen anbieten.

Rödl & Partner aus Nürnberg glaubt, mit seiner Erfahrung am richtigen Ort zu sein. Das Unternehmen arbeitete nach dem Fall der Mauer in Staaten des früheren Ostblocks, erklärt Andreas Voß, Leiter der neuen Niederlassung in Havanna . Man kenne also die Herausforderungen in einem Land, das gerade auf die freie Marktwirtschaft umstelle. "Unsere Kunden sind der deutsche Mittelstand", sagt Voß.

Bei ausländischen Investoren ist Kuba seit Jahren vor allem im Tourismussektor beliebt. Die allmähliche Öffnung biete nun weitere Chancen, etwa im Bauwesen oder im Infrastrukturbereich, glaubt Voß. Nach Jahrzehnten der Verwahrlosung besteht in dem Land ein immenser Nachholbedarf.

Trotz des großen Interesses aus dem Ausland ist noch nicht viel passiert auf Kuba. In der Regierung von Staatschef Raúl Castro gebe es viele, die Widerstand aus ideologischen Gründen leisten würden, heißt es. Große Investitionen werden nur zögerlich und oft mit massiven Auflagen zugelassen. Im Land tätige Auslandsfirmen dürfen beispielsweise ihr örtliches Personal nicht direkt einstellen. Dies erfolgt nur über den kubanischen Staat, der einen beträchtlichen Anteil der Löhne für diese Vermittlung einkassiert. Zu viel Bürokratie, zu viele Auflagen, mangelnde Rechtssicherheit und hohe Einfuhrzölle, klagen Wirtschaftsvertreter. Die alten antikapitalistischen Reflexe bremsen den Fortschritt - noch.

Meinung:

Gabriel kommt - mehr nicht

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia

Kuba öffnet sich nur aus wirtschaftlichen Zwängen. Selbst auf Verbündete wie Venezuela, das Öllieferungen sicherstellte, ist kein Verlass mehr, weil selbst krisengeschüttelt. Castros Diktatur liegt politisch und wirtschaftlich am Boden, vom Tourismus und vereinzelten privaten Kleinbetrieben abgesehen. Selbst für die soziale Infrastruktur inklusive Schulwesen ist nicht mehr genug Geld da, während immer mehr Kubaner über CNN oder im Internet sehen, dass es anderswo Wohlstand gibt. So lange Raúl Castro herrscht, wird Hilfe von außen nur geduldet. Der Weg zum Kapitalismus wird sehr lang. Von Gabriels Besuch ist nicht viel zu erwarten.

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