Kritik an Regler-Preis-Vergabe

Saarbrücken · Ist es „Geklüngel“, wenn eine Jury jemandem einen LiteraturPreis verleiht, der mit der Hälfte der Juroren beruflich oder persönlich verbunden ist? Kurz vor der Verleihung des Gustav-Regler-Preises am Sonntag ist Kritik an der diesjährigen Vergabe laut geworden.

 Der Namensgeber des Preises: Gustav Regler. Foto: Literaturarchiv

Der Namensgeber des Preises: Gustav Regler. Foto: Literaturarchiv

Foto: Literaturarchiv

Gustav Regler ist einer wenigen saarländischen Autoren mit internationaler Geltung. Es ist daher kaum verwunderlich, dass ein Literaturpreis nach ihm benannt ist: Seit 1999 verleihen die Stadt Merzig und der SR den Gustav-Regler-Preis "in Würdigung von Werk und Lebensgeschichte" des gebürtigen Merzigers. Nun gibt es Kritik an der diesjährigen Vergabe. Worum geht es?

Die Auszeichnung besteht aus zwei Teilen: dem vom SR gestifteten, mit 2500 Euro dotierten Förderpreis, um den sich Autoren mit Texten selbst bewerben (Gewinner dieses Jahr: Miriam Sachs); und dem von der Stadt Merzig finanzierten, mit 5000 Euro dotierten Hauptpreis - er geht dieses Jahr an den Heidelberger Schriftsteller Michael Buselmeier. Genau diese Wahl sorgt nun für Unmut. Kritiker vermuten, dass die Entscheidung vor allem auf Buselmeiers persönliche Verbindungen zur Jury zurückzuführen sei.

Eine begründete Vermutung? Laut Regularien wird der Preisträger in einem zweistufigen Verfahren ermittelt: Zunächst kann jedermann Vorschläge für Kandidaten bei der Stadt Merzig einreichen, 14 Vorschläge kamen laut Stadt 2013 von Bürgern. Anschließend tagt eine Jury, die ihrerseits ebenfalls Vorschlagsrecht hat. Hier kamen weitere drei Vorschläge dazu. Insgesamt standen also 17 Autoren zur Wahl, über die die Jury-Mitglieder Arnfrid Astel (als Vorjahres-Preisträger), Verleger Alfred Diwersy, SR-Literaturredakteur Ralph Schock, Hermann Gätje vom Literaturarchiv in Dudweiler, der Vorsitzende des saarländischen Schriftstellerverbands, Klaus Behringer, und Claude D. Conter vom luxemburgischen Literaturarchiv zu entscheiden hatten. Ihre Wahl fiel auf Buselmeier - den Vorschlag Astels.

Eben dies empört unter anderem den Historiker und Publizisten Wilfried Busemann. Er habe selbst einen Vorschlag eingereicht und daher die Entscheidung mit Interesse verfolgt, so Busemann. Beim Namen Michael Buselmeier sei ihm sofort eingefallen, dass dieser vor Jahren mit Ralph Schock, dem Nachfolger Astels als Literaturchef des SR, ein von Alfred Diwersy verlegtes Buch "zur allseitigen Verehrung und Adoration des Herrn Astel" herausgegeben habe. Dass nun Astel und Schock gemeinsam in der Jury zur Regler-Preisvergabe säßen und Buselmeier auszeichneten, rieche nach Vetternwirtschaft und werfe die Frage auf, ob da jemand für früher erwiesene Dienste belohnt werde.

Hört man sich in der saarländischen Literaturszene um, so stimmen viele Busemanns Kritik zu, wollen jedoch nicht namentlich genannt werden. Buselmeier sei ein guter Autor, so hört man oft, die Art der Preisvergabe jedoch zweifelhaft. Tatsächlich ist der 1938 geborene, dem politisch engagierten 68er-Milieu entsprungene Michael Buselmeier ein bundesweit angesehener Schriftsteller. Sein literarisches Werk in ein schlechtes Licht zu rücken, wäre nicht fair. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das von Schock und Buselmeier gemeinsam herausgegebene Buch über Astel beileibe nicht die einzige Verbindung Buselmeiers in die Jury ist. Einige Beispiele: Im Jahr 2000 erhält Arnfrid Astel den Kunstpreis des Saarlandes - die Lobrede hält Buselmeier; 2002 erhalten Buselmeier und Jury-Mitglied Klaus Behringer ein Literatur-Stipendium für einen Aufenthalt im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf - Juror für die Vergabe ist Ralph Schock. Seit Jahrzehnten halten Astel und Buselmeier, die seit Astels Heidelberger Zeit in den 60ern befreundet sind, gegenseitig Geburtstagsfestreden. Und wer regelmäßig Schocks Sendung "Literatur im Gespräch" verfolgt, kennt Buselmeier auch von dort: als Rezensent von Literaturzeitschriften - darunter auch hin und wieder die von Behringer herausgegebene Zeitschrift "Streckenläufer", für die Buselmeier bisweilen sogar selbst schreibt.

Alles ganz normal? Jedenfalls kein Geklüngel, sagt Jury-Mitglied Klaus Behringer: "Niemand in der Jury hat ein Liebesverhältnis zu Buselmeier." Die Zahl der Schriftsteller sei bundesweit so überschaubar, dass persönliche Bekanntschaften nicht ausblieben. "Wir haben Buselmeier ausschließlich gewählt, weil er ein exzellenter Autor ist", so Behringer. Auch für den Merziger Bürgermeister Marcus Hoffeld (CDU), der laut Statut die Jury benannt hat, gibt es keinen Grund, die Entscheidung in Frage zu stellen. Die Jury-Mitglieder seien allesamt ausgewiesene Fachleute, so Hoffeld. Zudem sei es wohl kaum umsetzbar, eine Jury zu berufen, die zu keinem Autor in Kontakt stehe.

Vermutlich hat Hoffeld Recht. Doch manchmal ist ein Blick über die Grenzen des Saarlandes hinaus durchaus sinnvoll - etwa nach Braunschweig. Dort vergibt die Stadt zusammen mit dem öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk den renommierten Wilhelm-Raabe-Literaturpreis (Preisgeld 30 000 Euro) - eine vergleichbare Stifterkonstellation also. Hier besteht die Jury aus neun Personen, sechs davon gehören nicht den Stiftern an und werden von Mal zu Mal neu benannt. Das habe man bewusst beschlossen, um Geklüngel auszuschließen, heißt es dort. Auch das Wahlverfahren ist äußerst transparent: Eine auf Jury-Vorschlägen basierende "Longlist" wird veröffentlicht, dann berät die Jury und veröffentlicht die "Shortlist". Erst danach wird die Entscheidung gefällt. Vielleicht ein künftiges Modell für Merzig?

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