Krieg und Frieden der Geschlechter

Saarbrücken · Am Sonntag feiert „Penthesilea“ in Saarbrücken Premiere. Wir haben vorab mit dem Regisseur Kristo {Scaron}agor (38) gesprochen – über das Stück, die Sprache Heinrich von Kleists und über die eigene Arbeit als Autor.

 Sophie Köster als Penthesilea, die Königin der Amazonen. Foto: Thomas M. Jauk

Sophie Köster als Penthesilea, die Königin der Amazonen. Foto: Thomas M. Jauk

Foto: Thomas M. Jauk

Das Blut könnte ein wenig wärmer sein, finden die Schauspieler. Wirkliches Blut ist es nicht, was da tiefrot unter den Scheinwerfern der Alten Feuerwache leuchtet - sondern gefärbtes Wasser in einem meterlangen Becken.

Hier erlebt am Sonntag Kleists Stück "Penthesilea" seine Premiere, aber noch probt Regisseur Kristo {Scaron}agor und erzählt in einer Pause von seiner Sicht auf das Stück über die Königin der Amazonen und eine archaisch brutale Brautschau, die mit unerwarteter Liebe in Konflikt gerät. "Ich hatte vor einiger Zeit wieder angefangen, die großen Klassiker zu lesen, Goethe, Schiller, Kleist", sagt der 38-Jährige. Dabei hat ihn "Penthesilea" am meisten gepackt - "als Leser, aber auch aus der Regieperspektive. Ich konnte mir gut vorstellen, mit diesem Stück ein paar Wochen zu verbringen"; nicht zuletzt der Themen Gewalt und Geschlechterkampf wegen, "die mich immer interessieren". Sklavische Werktreue ist {Scaron}agors Sache nicht, der im klassischen Bereich auch schon "Amphytrion", "Clavigo" und den "Werther" inszeniert hat. "Kleists Stück beginnt ja mit vielen Botenberichten und Mauerschauen - das habe ich als Dialoge auf die Figuren verteilt und gerafft. So wird das Indirekte direkt." Das Personal hat er auf sechs Figuren eingedampft, drei Männer, drei Frauen - eine Symmetrie, die sich auch im Bühnenbild niederschlägt und die Gleichwertigkeit der Machtverhältnisse im Geschlechterkampf widerspiegelt. Hemmungen bei der Bearbeitung hat er nicht - nicht mehr. "Als bearbeitender Autor habe ich mal eine Bühnenfassung des ‚Golem' geschrieben - ich bin daran gescheitert, dass ich den Text von Gustav Meyrink zu großartig fand. Ich blieb zu literarisch, es wurde nicht szenisch." Den Streit um Frank Castorfs Inszenierung von Brechts "Baal", die dessen Erben verfälschend finden, ist für {Scaron}agor absurd. "Man weiß ja, dass die Brecht-Erben einen Knall haben. Und niemand kann dem Text und seiner Sprachgewalt doch ein Haar krümmen."

{Scaron}agor sieht sich als "sehr sprachaffinen Regisseur", Kleist begeistert ihn entsprechend. "Seine Texte sind wie ein wildes Pferd, diese genussvolle Ausführlichkeit der Sprache ist wunderbar." Deshalb sei die Bühne von Alexandre Corazzola bewusst karg. "Eine gewisse Leere bietet Lücken, die man mit Sprache füllen kann."

Die Brutalität des Stücks will {Scaron}agor nicht überbetonen, "das Blut bekommt keinen Eigenwert"; er halte es da gerne mit Camus' Satz "Wer provoziert, hat keine Argumente". Sogar ein wenig Humor gebe es, wenn auch in "überschaubarem Maß", der die Tragödie immer wieder etwas auflockere, "damit das Leiden danach wieder spürbar wird".

Der in Lübeck aufgewachsene {Scaron}agor, der Literatur- und Theaterwissenschaften in Berlin studiert hat, wo er seitdem lebt, inszeniert seit 2002 (unter anderem am Schauspielhaus Bochum und am Volkstheater München) - gleichzeitig ist er Autor. Seine Jugendstücke "FSK 16" und "Trüffelschweine" werden viel gespielt, bei uns konnte man sie im Theater Überzwerg sehen. Eine Unterscheidung im Schreibprozess für Jugendliche oder Erwachsene macht er nicht, aber bei Kindern: "Die sind viel grausamer und ehrlicher bei Langeweile - die zeigen sie. Wenn sich Erwachsene im Theater langweilen oder etwas nicht verstehen, dann halten Sie das gerne für große Kunst." Nach der "Penthesilea"-Premiere reist {Scaron}agor gleich weiter nach Mannheim: Dort inszeniert er sein Stück "Du Hitler" am Nationaltheater; "um Alltagsfaschismus geht es", Premiere ist am 16. April.

2008 erhielt {Scaron}agor den Theaterpreis Faust für seine Inszenierung von "Törleß", nur eine von einigen Auszeichnungen. "Die finanzielle Seite der Preise sollte man nicht unterschätzen", sagt der Freiberufler. Vor allem aber seien sie eine "Streicheleinheit", denn die Kunstkritik sei eine oft unbarmherzige "Bewertungsmaschine". Wobei der renommierte Faust auch seine Nachteile hatte. "Da kamen erstmal keine Angebote mehr, weil jeder dachte, jetzt wäre ich ausgebucht."

Premiere: Sonntag, 18 Uhr, Alte Feuerwache, Saarbrücken .

Karten: Tel. (06 81) 309 24 86.

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