Krieg oder Frieden

Es steht Spitz auf Knopf in der Ukraine . Nur so ist die ebenso überraschende wie ungewöhnliche Reise von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande nach Kiew und Moskau zu erklären.

Es geht um Krieg oder Frieden, im buchstäblichen Sinne. Manche Nationalisten im Kreml werden frohlocken, dass sie nach der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion und ihrer Aggression in der Ost-Ukraine nun endlich jene Augenhöhe mit der EU bekommen, nach der sie sich so sehnen. Dass Europas wichtigste Häuptlinge ohne Vorbedingung bei Putin anklopfen. Egal. Der Klügere redet trotzdem. Frieden ist jeden Versuch wert .

Es ist eine diplomatische Offensive auf allerhöchster Ebene und vielleicht die letzte. Die USA sind über ihren Außenminister unmittelbar beteiligt, der Vorstoß ist mit Präsident Obama abgestimmt. Merkel und Hollande zeigen mit dieser Initiative zweierlei: Erstens, dass Europa - vertreten durch seine beiden wichtigsten Staaten - zusammensteht. Und zweitens, dass dieses Europa keinen Dauerkonflikt mit Russland wünscht und sich daher nicht zu schade ist, alles, aber auch alles zu versuchen, um ihn abzuwenden.

Sergej Lawrow , der russische Außenminister, wird entweder von Wladimir Putin als Spielfigur eingesetzt, die den Westen hinhalten soll. Oder er hat gar nicht die Prokura, das zu vereinbaren, was er da immer wieder unterschreibt, zuletzt vor zehn Tagen in Berlin. Anders ist nicht zu erklären, dass keine der bisherigen Vereinbarungen gehalten hat. Auf der Ebene der Staatschefs geht man so nicht miteinander um. Wenn man sich dort belügt, gibt es keine höhere Stufe mehr, um die Sache noch zu retten. Das weiß auch Putin. Heute muss er offenlegen, was er wirklich will: Krieg oder Frieden.

Putin betreibt derzeit beides. Das eine real, aber versteckt. Das andere öffentlich, aber nicht real. Dieses Spiel muss aufhören. Es wird Tacheles geredet werden in Moskau. Merkel und Hollande werden dem russischen Präsidenten eine gesichtswahrende Lösung anbieten. Erst ein Waffenstillstand in der umkämpften Region, Ende des Zuflusses von Material und Kämpfern aus Russland. Dann Gespräche über Russlands Interessen in der Ukraine , wobei die Krim-Frage vorerst ausgeklammert wird. Und sie werden Präsident Poroschenko in Kiew verdonnern, diese Lösung mitzutragen.

Europa steht vor entscheidenden Tagen. Wenn dieser Versuch scheitert, ist die große Schlacht um "Neurussland", den ganzen Südosten der Ukraine , kaum noch zu stoppen. Dann folgen womöglich sehr bald Waffenlieferungen der USA und europäischer Nato-Staaten nach Kiew und die ebenso offene Unterstützung der Separatisten durch Russland. Dann droht kein neuer kalter Krieg in Europa und der Welt - dann haben wir ihn.

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