Korruption im System

Meinung · Es sind rund 250 Milliarden Euro, die jährlich im deutschen Gesundheitswesen umgesetzt werden. Das lädt zur Korruption geradezu ein. Da gibt es zum Beispiel für Ärzte schicke Reisen von Pharmakonzernen, auf dass sie das Richtige verschreiben. Es gibt für Apotheker nette Rabatte, auf dass sie das Richtige anbieten

Es sind rund 250 Milliarden Euro, die jährlich im deutschen Gesundheitswesen umgesetzt werden. Das lädt zur Korruption geradezu ein. Da gibt es zum Beispiel für Ärzte schicke Reisen von Pharmakonzernen, auf dass sie das Richtige verschreiben. Es gibt für Apotheker nette Rabatte, auf dass sie das Richtige anbieten. Krankenhaus-Chefs werden von den Herstellern medizintechnischer Großgeräte umgarnt, auf dass sie in das Beste investieren. Und nun steht als neuer Vorwurf im Raum, dass Kliniken Ärzten Prämien angeboten haben, direkt oder indirekt, auf dass sie ihre Patienten zur Behandlung oder Operation zu ihnen schicken - und dass etliche Ärzte das Geld annahmen. Ja, dass es regelrechte vertragliche Vergütungssysteme dieser Art gibt. Stimmt dieser Vorwurf, dann wäre das ein schwerer Vertrauensbruch im Verhältnis von Arzt und Patient. Denn Letzterer erwartet bei einer so heiklen Entscheidung wie der Überweisung ins Krankenhaus einen ehrlichen Rat. Und es wäre sogar Körperverletzung, wenn der Patient dadurch eine schlechtere Behandlung erfahren sollte, als es bei objektiver Auswahl der besten Klinik möglich wäre. Das ist keine Angelegenheit, die Ärzteschaft und Kliniken auf die leichte Schulter nehmen sollten. Bei ihrem Gipfeltreffen gestern aber kam wenig mehr heraus als die Absichtserklärung, den Sachverhalt nicht zu akzeptieren. Von strukturellen Konsequenzen keine Spur. Auch Union und FDP als diejenigen Parteien, die sich den Ärzten besonders verbunden fühlen, hätten allen Anlass, das Thema sehr ernst zu nehmen. Stattdessen gab es von ihnen Erklärungen, in denen sie vor Verallgemeinerung warnten und von Einzelfällen sprachen. Woher wissen sie das? Und selbst wenn es stimmt - können nicht schon wenige Fälle den Ruf einer ganzen Branche ruinieren? Der Patient weiß nämlich nicht, ob sein Arzt zu den weißen oder den schwarzen Schafen gehört. Auch die Regierung müsste schnelle und konsequente Gegenmaßnahmen ergreifen, von drastischen Strafen für erwischte Ärzte und Klinik-Chefs bis hin zur Herstellung größerer Transparenz. Der Vorschlag etwa, ein wissenschaftliches Benotungssystem für Krankenhäuser einzuführen und diese Daten im Internet zu veröffentlichen, würde die Quelle der illegalen Geschäfte, das angebliche Wissen der Halbgötter in Weiß, sofort austrocknen. Doch auch die Regierung schweigt weitgehend. Die Art, wie alle Seiten mit diesem Skandal umgehen, lässt nur einen Schluss zu: Im Gesundheitswesen wird ein bestimmter Anteil an Korruption schulterzuckend hingenommen. Denn er gehört schon zum System.

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