Kohls Mädchen und die Badewanne

Frankfurt. Der breite US-Akzent hätte Rolf Linsler misstrauisch machen sollen. Zwei angebliche Reporter der Nachrichtenagentur AP waren im Büro des saarländischen Linken-Chefs erschienen. Als sie ihn fragten, ob er Kommunist sei, zweifelte Linsler nicht an der Echtheit der Journalisten - während sein Pressesprecher ein merkwürdiges Glucksgeräusch machte

 "Zonen-Gaby", 1989. Foto: Titanic

"Zonen-Gaby", 1989. Foto: Titanic

Frankfurt. Der breite US-Akzent hätte Rolf Linsler misstrauisch machen sollen. Zwei angebliche Reporter der Nachrichtenagentur AP waren im Büro des saarländischen Linken-Chefs erschienen. Als sie ihn fragten, ob er Kommunist sei, zweifelte Linsler nicht an der Echtheit der Journalisten - während sein Pressesprecher ein merkwürdiges Glucksgeräusch machte. So steht es zumindest in der aktuellen Ausgabe der "Titanic". Auf fünf Seiten schildern die Autoren, wie sie im Saarland inkognito der Frage nachgingen, ob hier nach der Landtagswahl der Kommunismus ausgebrochen sei.Auch fast 30 Jahre nach dem Debüt ist die "Titanic" mit ihren Satire-Aktionen so etwas wie das Zentralorgan der kritisch-komischen Intelligenz. Nur so könne man auf den Irrsinn des Polit-Systems reagieren, formulierte es der frührere Chefredakteur Martin Sonneborn einmal.Geradezu legendär, wie 1988 ein Redakteur inkognito bei "Wetten dass?" behauptete, er könne die Farbe von Buntstiften am Geschmack erkennen - und gewann (weil er schummelte). Oder wie "Titanic" ein ganzes Eifel-Dorf in Gasmasken durch die Straßen hetzte, weil es Filmarbeiten für eine neue TV-Serie vortäuschte. Und natürlich, wie die Redaktion die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holte - mit einem getürkten Bestechungsfax und einem Präsentkorb mit Würsten an die Fifa-Delegierten. Dieser Präsentkorb und noch viele andere Schelmenstück-Requisiten sind in der Ausstellung "Titanic - Das Erstbeste aus 30 Jahren" im Caricatura-Museum in Frankfurt zu sehen.Nicht ohne Grund wurden mehr als 35 "Titanic"-Hefte vom Markt geklagt. Der Streitfall mit SPD-Politiker Björn Engholm, den das Titelbild in Barschel-Manier in einer Hotelbadewanne zeigte, brachte die Frankfurter Satiriker einst an den Rand des Ruins. In der Ausstellung steht nun eine Badewanne - versehen mit der Bitte an Besucher, sich darin abzulichten und danach die "Titanic" auf 20 000 Euro Schmerzensgeld zu verklagen.Berühmt wurden Hans Traxlers Zeichnungen von Helmut Kohl als Birne. Beschwert hat er sich offenbar nie. Eine Souveränität, die auch Angela Merkel zeigte, als sie 2006 mit der Zeile "Kohls Mädchen packt aus - Ich musste Kanzler zu ihm sagen" auf dem Titel prangte. ithBis 31. Januar 2010. Caricatura-Museum. www.caricatura.de

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