König, Clown, wilder Stier: Schauspieler Gert Voss ist tot

Wien · Seine Vision war ein Zuschauer, der noch tagelang vom Theaterbesuch träumt. Gert Voss hat mit leidenschaftlichem Spiel dafür gesorgt. Nach kurzer Krankheit ist der große Künstler am Sonntag gestorben. Er wurde 72 Jahre alt.

"Ein wilder Stier, aus dem Käfig ausgebrochen in die Theaterwelt." So hat Regisseur George Tabori einst den Schauspieler Gert Voss beschrieben. Kraft und Leidenschaft haben Voss auf der Bühne zu einer einzigartigen Karriere getragen. Er war König und Clown, tobte, litt und weinte wie kein Zweiter. Die Kritiker feierten ihn als den "gewaltigsten deutschen Schauspieler " ("FAZ"). Die britische Tageszeitung "The Times" kürte ihn 1995 zum besten Schauspieler Europas. Am Sonntag ist Voss im Alter von 72 Jahren in Wien gestorben, wie das Burgtheater mitteilte. Die Wiener "Burg" war seit fast 30 Jahren seine Heimat.

Mit seiner rauen, eindringlichen Stimme und einem Körper, den er jeder Rolle anpasste, lotete er seine Figuren aus: Mal bewegte er sich, als Othello, geschmeidig wie eine Raubkatze, mal war er, als König Lear, ein ganz in Schmerz aufgelöster alter Mann, oder, in "Maß für Maß", ein unberechenbarer Vincentino.

Als Student trat Voss im Kirchenkabarett und im Tübinger Studententheater auf. Als ihm bei einer Eignungsprüfung Talent bescheinigt wurde, entschied er sich gegen das Studium und für privaten Schauspielunterricht. Nach Stationen auf Bühnen in Konstanz, Braunschweig und München stand Voss ab 1974 bei Intendant Claus Peymann in Stuttgart im Rampenlicht. Beide gingen 1979 nach Bochum, wo sie erneut Theatergeschichte schrieben. Ab 1986 wühlte das Gespann Peymann-Voss das Wiener Burgtheater auf. Peymann reagierte gestern zutiefst betroffen: "Mit ihm ist der wichtigste Weggefährte meiner Theaterarbeit verschwunden", erklärte der Intendant des Berliner Ensembles. "Ich könnte heulen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort