Koalition will Energiestreit abräumen

Berlin · Stromkabel unter die Erde, alte Braunkohle-Meiler gegen Bares abschalten, viel Geld für umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung: Schwarz-Rot zückt das Scheckbuch, um den Energiestreit zu lösen.

Die große Koalition will ihren Streit um Kohle-Abgabe, Klimaschutz und die Stromnetze mit einer Paketlösung in der nächsten Woche endgültig abräumen. Um die Klimaschutzziele bis 2020 noch zu schaffen, sollen umweltfreundliche Anlagen, die Strom und Wärme erzeugen (KWK), stärker gefördert werden. Stromkonzerne sollen Prämien für die schrittweise Stilllegung alter Braunkohle-Meiler bekommen.

Das Paket, das die Koalitionsspitzen am nächsten Mittwoch absegnen wollen, könnte insgesamt zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr kosten. Einen Teil davon müssen Bürger und der Mittelstand über den Strompreis schultern. Die Belastung könnte aber mit geschätzt 0,5 Cent je Kilowattstunde überschaubar sein. Die ursprünglich von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) geplante Strafabgabe für Kohle-Kraftwerke wird dagegen nicht mehr kommen.

Damit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU ) seinen Widerstand gegen neue Stromautobahnen von Nord nach Süd aufgibt, ist Gabriel nun überraschend für die Verlegung von teuren Erdkabeln an Orten, an denen Bürger Front gegen die Leitungen machen. Das wird die Kosten des Netzausbaus massiv in die Höhe treiben. Gabriel meinte, das sei zu verschmerzen. Die Mehrkosten seien im Vergleich zu Verzögerungen und Gerichtskosten bei Klagen vertretbar. Für die Energiewende zahlen Verbraucher und Wirtschaft derzeit schon weit über 20 Milliarden Euro pro Jahr.

Der von Wolmirstedt bei Magdeburg bis ins bayerische Meitingen geplante Ost-Link soll möglichst auf einer bestehenden Trasse nach Bayern geführt werden, davon die letzten Kilometer als Erdverkabelung. Auch bei der "Hauptschlagader" der Energiewende , dem 800 Kilometer langen Suedlink von Wilster in Schleswig-Holstein nach Bayern, will Gabriel als "Regelfall" auf Erdkabel zurückgreifen.

Auch könnten zwei weiterführende Gleichstromtrassen, die vom Endpunkt des Suedlinks am Atomkraftwerk Grafenrheinfeld in Bayern abgehen sollen, anders verlaufen. "Ich glaube, dass das ein sehr weitgehendes Angebot an die bayerische Staatsregierung ist, das ihnen helfen kann, den massiven Widerstand gegen den Freileitungsausbau in Bayern zu minimieren", sagte Gabriel. CSU-Chef Horst Seehofer meinte in München: "Wir haben noch einiges zu leisten."

Zum Erreichen der Klimaschutzziele will die Regierung bei den Kraftwerken zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO{-2} einsparen. Statt Gabriels Kohle-Abgabe einzuführen, sollen nun alte Braunkohle-Kraftwerke für Engpässe in eine Reserve gehen und schrittweise stillgelegt werden. Dafür werden vor allem die Konzerne RWE und Vattenfall Geld bekommen. Gabriel betonte, er halte seine Abgabe zwar für die bessere Idee. Gewerkschaften und Kohle-Industrie hätten aber "nachvollziehbar" das Risiko von Strukturabbrüchen und Arbeitsplatzverlusten in den Braunkohle-Revieren dargelegt.

Die Grünen sprachen von einer "klimapolitischen Bankrotterklärung" der Bundesregierung. Greenpeace kritisierte, die Koalition werfe eine neue Subventionsmaschine für überflüssige Kohlemeiler an.

Meinung:

Lieber teuer als nie

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will den gordischen Knoten durchschlagen. Mit Milliardenzusagen den Widerstand brechen - der Bayern gegen den Ausbau der Stromtrassen sowie der Gewerkschaften , Kohle-Bundesländer und Konzerne gegen die Kohle-Abgabe. Dies könnte gelingen, wenn sich nicht der Egomane Horst Seehofer querstellt. Gabriels Lösung ist sicherlich nicht optimal, aber besser, als jahrelang ergebnislos zu streiten. Der SPD-Chef hat sicherlich noch einen Nebengedanken: Er will endlich einen großen Erfolg verbuchen - und zwar vor der nächsten Bundestagswahl. Gabriel will ja vielleicht mal Kanzler werden.

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