Koalition packt Energiepaket

Berlin · Drei Parteichefs, fünf Stunden Beratung, ein Paket. Die Spitzen der großen Koalition befrieden den Energiestreit. Stromkunden und Steuerzahler müssen dafür allerdings Milliarden aufbringen.

Am Morgen danach zeigte sich einer besonders zufrieden mit den Beschlüssen des Energiegipfels im Kanzleramt: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

"Wir haben klare, sehr in die Zukunft gerichtete Entscheidungen getroffen", befand Seehofer nach der fünfstündigen Nachtsitzung der drei Parteichefs der großen Koalition. Der CSU-Chef war bis dahin im politischen Berlin als einer verschrien, der die Energiewende aus rein bayerischen Interessen torpediere. Jetzt, flötete der Ministerpräsident, sei ein vernünftiger "Interessenausgleich" gelungen. Überschwänglich lobte auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Resultate. "Wir machen Ernst mit der Energiewende", sagte er.

Das sieht aber nicht jeder so - und draufzahlen müssen eindeutig die Verbraucher. Die Opposition bezeichnete die Beschlüsse als "klimapolitische Bankrotterklärung". Vor allem, weil die von Gabriel geplante, aber hoch umstrittene Kohleabgabe gestrichen wurde. Mit der Strafzahlung wollte der Minister ältere Kohlekraftwerke unwirtschaftlich machen. Dagegen hatte sich ein breites Bündnis aus Industrie, Gewerkschaften, Ländern, Union und Teilen der SPD formiert und vor dem Verlust Tausender Arbeitsplätze in der Kohleindustrie gewarnt. Gabriel gab im Kanzleramt klein bei. Hier die Beschlüsse im Einzelnen, mit denen die Regierung ihr Ziel erreichen will, den CO&-2;-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren.

Kraftwerke: Fünf Braunkohlekraftwerksblöcke mit einer Leistung von insgesamt 2,7 Gigawatt werden ab 2017 bis 2020 vom Netz genommen. Sie sollen aber als Reserve vorgehalten werden. Einsparungseffekt: elf Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO&-2;). Dies kostet nach Angaben des Wirtschaftsministeriums im Jahr etwa 230 Millionen Euro, die vom Stromkunden getragen werden müssen. Außerdem werde die Braunkohlewirtschaft eine zusätzliche Minderung in Höhe von 1,5 Millionen Tonnen ab 2018 erbringen.

Energieeffizienz: 5,5 Millionen Tonnen CO&-2; sollen ab 2016 durch Effizienzmaßnahmen im Gebäudebereich erbracht werden. Auch soll die energetische Gebäudesanierung steuerlich gefördert werden - ein alter Plan, der aber in den letzten Jahren nie durchgesetzt werden konnte. Ferner will die Koalition, dass Heizungsanlagen modernisiert und der Austausch von Heizungspumpen gefördert wird. Vorgesehen ist überdies, die Straßenbeleuchtung auf LED-Lampen umzustellen und die Wärmegewinnung aus Solaranlagen zu verbessern. Dies alles kostet rund fünf Milliarden Euro bis 2020.

Kraft-Wärme-Kopplung: Die Koalition will die Förderung für umweltfreundliche Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) von heute 0,5 auf 1,5 Milliarden Euro aufstocken. Die Anlagen produzieren Strom mit Gas und die dabei entstehende Wärme wird weitergeleitet an Haushalte und Unternehmen. Der Ausbau der Anlagen wird mit einer Umlage über den Strompreis finanziert und kostet die Kunden weitere zwei Milliarden Euro bis 2020.

Netzausbau: Hier ist man vor allem Bayern entgegen gekommen. Neue "Monstertrassen", so Seehofer, wird es nicht geben. So sollen jetzt bestehende Trassen stärker genutzt und vor allem Erdkabel verlegt werden. Süddeutschland soll zudem vom Bau neuer Kraftwerke mit einer Leistung von bis zu zwei Gigawatt profitieren, die ab 2021 die letzten Atommeiler ersetzen sollen. Zwei Anlagen werden Seehofer zufolge in Bayern und eine in Baden-Württemberg stehen. Sie werden voraussichtlich ebenfalls subventioniert werden müssen, da sich der Bau kaum rechnen dürfte.

Atomkraftwerke: Man gehe davon aus, "dass die Kosten für Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung von den Verursachern getragen werden", heißt es im Beschlusspapier des Gipfels. Vom Tisch ist laut Seehofer das von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verkündete Konzept, mit dem Castor-Behälter auf die Bundesländer für die Zwischenlagerung verteilt werden sollten. Darüber soll neu verhandelt werden.

Saar- Grüne kritisieren Kompromisslösung


Die Saar-Grünen kritisieren die Aufgabe der Klimaschutzabgabe für alte Kohlemeiler im neuen Energiekompromiss: "Nun hat die Bundesregierung mit der Beerdigung der Klimaschutzabgabe auch noch das Mindestziel zur Umsetzung der Energiewende aufgegeben", sagt Grünen-Fraktionschef Hubert Ulrich . Im Wirtschaftsministerium werden die Berliner Beschlüsse grundsätzlich positiv aufgenommen. Bei der Förderung bestehender und neuer KWK-Anlagen allerdings sei der vorgelegte Kompromiss noch nicht eindeutig genug, teilte das Ministerium mit. Hier gebe es noch Fragen zur Ausgestaltung.

Der Energiekonzern VSE will vor einer Stellungnahme das Eckpunktepapier prüfen. red

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