Koalition debattiert über Wege aus der Sucht

Berlin. Sollen Drogensüchtige reines Heroin zu Therapiezwecken auf Rezept bekommen können? Für viele ist der Gedanke absurd, auch für die Unionsfraktion im Bundestag. Und doch wächst der Druck auf sie, genau dies zuzulassen, denn Gesundheitspolitiker sind überzeugt, dass die kontrollierte Vergabe der Droge die Abhängigen stabilisieren kann

Berlin. Sollen Drogensüchtige reines Heroin zu Therapiezwecken auf Rezept bekommen können? Für viele ist der Gedanke absurd, auch für die Unionsfraktion im Bundestag. Und doch wächst der Druck auf sie, genau dies zuzulassen, denn Gesundheitspolitiker sind überzeugt, dass die kontrollierte Vergabe der Droge die Abhängigen stabilisieren kann. Der angekündigte Ausstieg der Stadt Karlsruhe aus einem entsprechenden Projekt hat die Debatte jetzt neu belebt.In Karlsruhe teilte die Stadtverwaltung dem Träger der dortigen Heroinambulanz, der Arbeiterwohlfahrt, mit, dass sie den Vertrag beenden wolle, da eine Überführung in eine Regelversorgung nicht absehbar sei. Derzeit fördern neben Karlsruhe noch Köln, Bonn, Hannover und Hamburg die kontrollierte Heroinabgabe aus ihren Mitteln, dabei finanziell unterstützt von den Ländern. Sie haben dafür eine Ausnahmegenehmigung, da die Vergabe formal ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz ist. FDP, Grüne und Linke im Bundestag möchten nun eine Überführung dieser Projekte in die Regelversorgung und das Betäubungsmittelgesetz entsprechend ändern. Dann würden die Krankenkassen die Kosten übernehmen und diese Drogentherapie könnte überall stattfinden. Auch 13 der 16 Bundesländer unterstützen die Idee und verabschiedeten im Herbst im Bundesrat einen Gesetzentwurf. Die Initiative kam von fünf CDU-regierten Ländern: Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Nordrhein-Westfalen. Nur Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen stimmten dagegen. Doch die Unions-Fraktion im Bundestag sperrt sich beharrlich.Mit dramatischen Worten appellierte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), jetzt an den Koalitionspartner, den Antrag passieren zu lassen. Das Leben der 18 bisher versorgten schwerst abhängigen Patienten in Karlsruhe werde "aus rein ideologischen Gründen" gefährdet. Es geht um die Verabreichung von Diamorphin, reinem, synthetisch hergestelltem Heroin, unter ärztlicher Aufsicht an Junkies, die auf Methadon-Therapien nicht angesprochen haben. Die bisherigen Modellprojekte wurden wissenschaftlich begleitet; die Ergebnisse sind nach Bätzing eindeutig positiv. Die Patienten nähmen seltener andere Drogen, lösten sich aus der Szene und würden so auf eine Entzugstherapie vorbereitet. Allerdings ist Diamorphin erheblich teurer als Methadon.Die Union sieht in der Diamorphin-Therapie die "Enttabuisierung einer harten Droge", wie die drogenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, Maria Eichhorn (CSU), sagte. Man könne den Versicherten nicht zumuten, die Kosten dafür aufzubringen, wenn der Nutzen nicht erwiesen sei. Die Zahl der möglichen Patienten sei überhaupt nicht kalkulierbar und damit auch nicht die Höhe der Kosten. Deshalb komme eine Regelversorgung nicht in Frage. Man sei jedoch dafür, ein weiteres Modellprojekt durchzuführen, "um die Frage der Ausstiegsorientierung zu klären".Bätzing hält ein weiteres Modellprojekt für überflüssig. "Die Ergebnisse liegen vor und sind eindeutig." Die Drogenbeauftragte schätzt die Zahl der potentiellen Patienten in Deutschland auf 5000. Das sei überschaubar. Es gebe überhaupt keinen Grund, nun nicht in die Regelversorgung überzugehen. Bätzing appellierte an die CDU-Ministerpräsidenten, innerparteilich auf die Bundestagsfraktion einzuwirken, um den Weg für ihr eigenes Gesetz endlich freizugeben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort