Klangräume voller Sinnlichkeit

Vijay Iyer ist ein Phänomen an Produktivität, Universalwissen und Originalität. Nun hat er sein erstes Album für Manfred Eichers ECM-Label aufgenommen. Ein faszinierendes Hörabenteuer.

Viele nennen ihn "Jazzmusiker der Stunde". Doch das greift zu kurz. Der 1971 in den USA als Sohn indischer Einwanderer geborene Vijay Iyer komponiert auch Kammermusik und macht experimentellen HipHop. Er hat eine große Discografie aufzuweisen, eine Doktorarbeit über das Zusammenwirken von Körper, Geist und Musik geschrieben und etliche Preise gewonnen.

Interdisziplinarität bestimmt seine Arbeiten. Er studierte Mathematik und Physik, lernte zunächst Geige, ehe er sich einen Namen als Pianist und Komponist machte. Zwischen Asien und Amerika, E und U, Emotionalität und Intellekt, Fragilem und Zupackendem, Komposition und Improvisation sind seine Aufnahmen aufgespannt. Durchdacht und doch stets auch der Eingebung aus dem Moment heraus vertrauend, ist jede seiner CDs etwas Besonderes. Nie lassen sie sich Jazzklischees zuordnen. Zum Nebenbeihören ist das nichts, doch lässt man sich ein auf diese Welten, begibt man sich in faszinierende Hörabenteuer.

Ganz besonders gilt das für Iyers erste Zusammenarbeit als Bandleader mit Manfred Eicher und dem Label ECM. Im Zentrum steht die titelgebende zehnteilige Suite "Mutations", 2005 vom Streichquartett Ethel uraufgeführt, nun ergänzt um Iyer als fünften Mann, der zupackend auf den Interpretationsprozess dieser neuen Kammermusik reagiert, wobei auch Laptop-Electronics eingesetzt werden. Eingerahmt ist das von drei Neuinterpretationen von Pianostücken. Spröde schöne, wirklich neue Musik ergibt das, weit ausgeschrittene Klangräume voller Sinnlichkeit, eine Lehrstunde über individuelle Freiheiten in einer festgelegten Form.

Vijay Iyer: Mutations

(ECM/Universal).

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