Klagenfurt: Talentfundgrube am Wörthersee

Klagenfurt · Heute Abend beginnt in Klagenfurt der Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis. Vorab ein Blick zurück auf ein umstrittenes, aber einzigartiges Wettlesen.

Es ist ein Ereignis, das im internationalen Vergleich seinesgleichen sucht: der Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis, der seit 1977 in Klagenfurt ausgetragen wird.

Im Laufe der Zeit haben sich die Regeln weiter entwickelt. Seit einigen Jahren laden sieben Juroren je zwei Autoren mit ihren bisher unveröffentlichten Texten in den Wettbewerb. Die 14 Kandidaten haben dann zwischen Donnerstag und Samstag je 30 Minuten Zeit, um ihren Text selbst vorzutragen. Die Jury diskutiert dann 30 Minuten lang über das Gelesene. Am Sonntag muss sie sich dann entscheiden. In einem dramaturgisch auf Spannung angelegten Verfahren werden die Preise ermittelt. Das am Computer teilnehmende Publikum kann seinen eigenen Gewinner ermitteln. Alles ist öffentlich, wird auf 3sat übertragen und ist im Internet zu verfolgen.

Eröffnet wird das Spektakel alljährlich mit der "Klagenfurter Rede zur Literatur", die heute Abend die Preisträgerin des Jahres 2011 hält, Maja Haderlap. Sie gehört der slowenischen Minderheit in Kärnten an. Man darf gespannt sein, welchen literarischen oder politischen Akzent sie in ihrer Heimatstadt setzen wird.

Seit langem wird über den Sinn dieses Aufwands kontrovers diskutiert. "Schafft Klagenfurt ab!" textete vor Jahren schon Volker Weidermann in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung"; im vergangenen Jahr drohte der Hauptgeldgeber ORF mit dem Abdrehen des Geldhahns. Der Sender hatte nicht mit dem Aufschrei der literarischen Welt gerechnet und muss das kostspielige Ereignis fortsetzen.

Wer in die Geschichte zurückblickt, findet glanzvolle Namen - bei den Dichtern und den Juroren. Von Reich-Ranicki bis zu Dennis Scheck hat schon jeder namhafte Kritiker den Daumen nach oben oder unten gedreht. Die Autorenliste enthält praktisch alle Namen, die heute in der deutschsprachigen Literatur eine Rolle spielen. Und schon früh spielten Autoren wie Terézia Mora , Sa{scaron}a Stani{scaron}iæ oder - wie im letzten Jahr - Katja Petrowskaja eine preistragende Rolle, deren Muttersprache nicht ihre deutsche Literatursprache war.

In diesem Jahr gibt es unter dem in die Jahre gekommenen Vorsitzenden Burkhard Spinnen ein neues Gesicht in der Jury: Arno Dusini, ein in Südtirol geborener Literaturprofessor aus Wien. Unter die Autoren haben sich neben die Absolventen literaturnaher Studien in diesem Jahr zwei Kandidatinnen geschlichen, die Biologie beziehungsweise Physik studiert haben. Etwas mehr Vielseitigkeit hätte dem Wettbewerb auch in der Vergangenheit gut getan. Vielleicht bringen sie ja frischen Wind ins Wettlesen.

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