Gesunde Ernährung Die unterschätzten Heilstoffe aus unserer Leber

Saarbrücken · Aus Fett in der Leber gebildete Ketone können vielen Erkrankungen entgegenwirken und Körper und Geist fit halten.

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Foto: SZ

LCHF, so lautet die englische Abkürzung für wenig Kohlenhydrate, viel gesunde Fette: Low Carb, High/Healthy Fat. Das Konzept stammt ursprünglich aus Schweden, hat aber mittlerweile auch bei uns viele Anhänger. Das Interesse an diesen kohlenhydratreduzierten Kostformen ist so groß, dass der Einladung zum dritten deutschsprachigen LCHF-Kongress Ende Februar gut 250 Personen folgten: Ärzte und Ernährungsexperten, aber auch Patienten und Verbraucher.

Verfettete Leber: Die österreichische Diätologin Daniela Pfeifer erläuterte die Bedeutung der Leber im Stoffwechsel. Das Organ, etwa so groß und so schwer wie ein Kohlkopf, ist nicht nur für die Verteilung der Nährstoffe im Körper und für die Entgiftung zuständig, es sorgt auch dafür, dass Schilddrüsenhormone in ihre wirksame Form umgewandelt werden.

Schon daran sehe man, dass Probleme mit der Leber Auswirkungen im ganzen Körper haben können. Erschreckenderweise sei heute bereits jeder dritte Erwachsene in Deutschland und Österreich von einer nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD) betroffen: 70 Prozent der Übergewichtigen, bis zu 90 Prozent der Diabetiker, aber auch rund 14 Prozent der Schlanken. Eine NAFLD tut nicht weh, sie kann aber unbehandelt über eine Entzündung bis zur Zirrhose und zum Leberkrebs voranschreiten. Schon bei einer „einfachen“ nichtalkoholischen Fettleber ist das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten deutlich erhöht.

Schnelle Besserung: Die gute Nachricht lautet, dass sich das Leberfett durch eine Ernährungsumstellung wieder abbauen lässt, denn die Leber entfettet sehr schnell. Nach Pfeifers Erfahrung ist dazu eine molkenproteinreiche, kohlenhydratreduzierte und maßvoll fetthaltige Ernährung bestens geeignet. Denn nur ein geringer Teil des Leberfettes stammt aus dem zuvor verzehrten Fett, dafür jedoch ein gutes Viertel aus den verspeisten Kohlenhydraten, insbesondere aus Fruchtzucker.

Weitere Nähr- und Wirkstoffe wie die Omega-3-Fettsäuren aus fettem Fisch oder Fischöl, der Ballaststoff Inulin aus Lauch, Zwiebeln, Schwarzwurzeln, Vitamin E, Cholin aus Eiern und Innereien wie Leber, der Ballaststoff Beta-Glukan aus Hafer und Koffein können die Diät unterstützen.

Allerdings sei es anfangs auch nötig, die Kalorienmenge auf maximal 1000 Kilokalorien täglich zu senken. Nicht, um rasch abzunehmen, sondern um die Leber möglichst schnell zu entfetten. Schon nach einer Woche mit 800 Kilokalorien täglich kann das Leberfett um 30 Prozent verringert sein. Auch das Leberfasten nach Dr. Worm empfahl die Referentin als wirksam.

Gluten-Unverträglichkeit: Dr. Vilmos Fux, aus Österreich angereister Arzt für Labormedizin und klinische Chemie, der auch Präventions- und Ernährungsmedizin betreibt, berichtete über verschiedene Formen der Gluten-Unverträglichkeit im Erwachsenenalter. Lange hatte man gedacht, Gluten, das „Klebereiweiß“ aus verschiedenen Getreiden, sorge nur bei Kindern für Darmprobleme. Doch mittlerweile ist klar, dass auch Erwachsene unter Gluten im Essen leiden können.

Da wäre zunächst die Autoimmunkrankheit Zöliakie, die bei Erwachsenen Sprue heißt. Aufgrund einer Verwechslung greift das Immunsystem nach dem Verzehr glutenhaltiger Produkte irrtümlich den eigenen Darm an. Die für die Verdauung wichtigen Darmzotten werden dabei völlig zerstört, was neben vielerlei Symptomen auch zu Vitamin- und Mineralstoffmangel führen kann.

Ist der Darm bereits vorgeschädigt, etwa aufgrund von Entzündungen oder einer gestörten Darmflora, kann Gluten auch ohne Sprue zu Problemen führen. Die Symptome dieser Gluten-Sensitivität können sich nicht nur im Darm, sondern im ganzen Körper zeigen, sie reichen von Blutarmut über Osteoporose und Migräne bis zu Gelenk- und Muskelschmerzen. Da im Rahmen einer LCHF-Ernährung ohnehin kein übliches Brot oder Gebäck gegessen wird, eignet sich diese Ernährung nach Einschätzung von Fux ideal für Gluten-Sensitive.

Forschung zur Multiplen Sklerose: Der niedergelassene Arzt und Neurowissenschaftler der Berliner Charité, Dr. Markus Bock, berichtete von den günstigen Effekten, die Fasten oder eine streng kohlenhydratreduzierte, fettreiche Ernährung auf Erkrankungen wie die Multiple Sklerose (MS) haben kann. Beiden gemeinsam ist, dass der Körper bei Nahrungs- oder Kohlenhydratverzicht vermehrt auf Fette als Energieträger zurückgreift.

Aus einem Teil der Fette bildet er dann in der Leber sogenannte Ketone oder Ketonkörper. Diese Stoffe liefern nicht nur Energie für das Gehirn, sie haben viele weitere Auswirkungen, die zur Behandlung von Erkrankungen wie der MS genutzt werden können, zum Beispiel entzündungshemmende Effekte und positive Einflüsse auf die Darmflora.

Bock fand in eigenen Studien Hinweise darauf, dass sich das bei MS irregeleitete Immunsystem wieder neu justieren lässt. Offenbar sterben durch Fasten oder ketogene Ernährung fehlerhafte Immunzellen ab und neue, kompetente Zellen entstehen. Zudem wirken sich die Ketone, die in beiden Fällen entstehen, positiv auf die emotionale und die psychische Lebensqualität der Patienten aus.

Kampf gegen Krebs: Wie sich Krebszellen unter Druck setzen lassen, erläuterte der Medizinphysiker Dr. Rainer Klement von der Strahlentherapie des Schweinfurter Leopoldina-Krankenhauses. Seit Langem ist bekannt, dass Krebszellen einen veränderten Zuckerstoffwechsel haben. Mit dessen Hilfe können sie sich resistent gegenüber einer Strahlen- und Chemotherapie machen. Umgekehrt sei zu erwarten, dass Krebszellen wieder empfindlicher auf die Therapien reagieren, wenn man die Blutzucker- und Insulinpegel im Blut senke. Erste Erfahrungen mit Patienten, die kurz vor und während ihrer Therapie fasten, bestätigen dies.

In vorklinischen Studien hatte sich auch die Kombination von Bestrahlung und ketogener Diät als wirksam erwiesen, um das Tumorwachstum zu verlangsamen. Die bei streng kohlenhydratreduzierter Ernährung und beim Fasten in der Leber gebildeten Ketone, insbesondere das Beta-Hydroxybutyrat, scheinen diese Effekte zu vermitteln. In kleinen Studien konnte gezeigt werden, dass sich die Körperzusammensetzung der Patienten und ihre Lebensqualität verbessern kann, wenn sie sich ketogen ernähren. Allerdings fehlt es noch an größeren und längeren Studien.

Faustformel für die Ernährung: Damit dies alles keine graue Theorie bleibt, konnten sich die Kongressteilnehmer anhand vieler Kostproben davon überzeugen, dass auch kohlenhydratreduzierte, fettreiche Lebensmittel sehr gut schmecken. Zudem erläuterte die Münchner Ernährungswissenschaftlerin Marina Lommel, wie sich eine fettreiche, ketogene Ernährung im Alltag umsetzen lässt.

Neben den hilfreichen Berechnungen für eine individuell angepasste Zusammensetzung der Speisen hatte Lommel auch eine Faustformel für jene parat, die nicht gerne rechnen: „Viel Gemüse, nur eine handtellergroße Portion Protein und mindestens zwei Esslöffel Fett pro Mahlzeit.“

Unsere langjährige Autorin, die Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Gonder, präsentiert zusammen mit der Ernährungsbiologin Julia Tulipan, der Ernährungswissenschaftlerin Marina Lommel sowie der Ernährungsmedizinerin Dr. Brigiite Karner die neuesten Forschungsergebnisse und Zusammenhänge rund um die Ketone und ketogene Ernährungsformen in dem gerade erschienen Buch „Der Keto-Kompass – Aktuelles Wissen über ketogene Ernährung, Ketone und Ketose“, Systemed-Verlag, 24,99 Euro.

 Buch-Cover Der Keto-Kompass

Buch-Cover Der Keto-Kompass

Foto: Systemed-Verlag
 Buch-Cover Gehirndoping mit Gewürzen

Buch-Cover Gehirndoping mit Gewürzen

Foto: Verlag Expert Fachmedien

Von der Ernährungsbiologin Dr. Sabine Paul stammt das Buch „Gehirndoping mit Gewürzen“, Verlag Expert Fachmedien, 19,80 Euro

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