Keine Stahlkrise im Saarland
Düsseldorf
Düsseldorf. Während die deutsche Stahlindustrie stark unter der Abkühlung der Konjunktur leidet - die Wirtschaftsvereinigung Stahl rechnet mit einem Rückgang der Rohstahlproduktion in diesem Jahr um vier Prozent auf 42,5 Millionen Tonnen - können sich die saarländischen Stahlstandorte in Dillingen und Völklingen nach Aussage von Karlheinz Blessing, dem Vorstandsvorsitzenden von Dillinger Hütte und Saarstahl, in diesem Umfeld "noch recht gut behaupten".Mit Kurzarbeit müsse im laufenden Jahr nicht gerechnet werden, sagte Blessing auf der Jahrestagung der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf, "und wenn uns nicht ein heftiger Schock auf einem unserer wesentlichen Märkte trifft, was ich nicht erwarte, dann werden wir auch das erste Quartal 2013 in den Griff bekommen". Jedoch wollte er sich nicht darauf festlegen, dass man auch bei der Saarstahl-Schmiede ohne Kurzarbeit auskomme. Zwar verfüge sie über weltweit modernste Produkte zur Herstellung von Turbinen für Kraftwerke mit hohen Wirkungsgraden. Zahlreiche Auftraggeber hätten aber wegen der Unsicherheiten über die künftige Energiepolitik in Deutschland sowie im Ausland Projekte verschoben. Auch der Atomausstieg habe den Einsatz neuester Technik im Bereich der Kernkraftwerke zumindest erschwert.
Blessing geht davon aus, dass 2012 für die Dillinger Hütte und Saarstahl aufgrund geringerer Mengen und vor allem sinkender Erlöse schwächer ausfallen wird als 2011. Genaue Zahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt. Dass er Kurzarbeit trotzdem für unwahrscheinlich hält, liege an der Konzentration des Unternehmens auf qualitativ höherwertige Stahlprodukte - ein Segment, in dem weltweit weniger Unternehmen aktiv seien, während bei der Herstellung von Billigstahl-Produkten ein stärkerer Konkurrenzkampf herrsche. Gerade im Billig-Segment erwartet Blessing international weitere Konzentrationen: "Wer nur auf billig setzt, wird in Europa aufgrund der Kosten keine großen Überlebenschance haben", sagt er.
Große Herausforderungen sieht Blessing nicht nur in der wachsenden Konkurrenz durch Russland und China sowie die wachsenden Schwankungen an den Rohstoffmärkten, auch die Krise der Automobilindustrie setzt den Saarländern zu. Mittlerweile seien von der Kaufzurückhaltung auch Kunden von Saarstahl betroffen.
Strategisch strebt Blessing an, den Exportanteil in Länder außerhalb der EU - derzeit liegt er bei rund 20 Prozent - möglichst auszubauen. Dabei steht auch die Frage im Raum, ob Saarstahl den Autoherstellern mit seiner Produktion nach China folgen muss, wenn diese ihre Kapazitäten verlagern. Überlegungen gebe es zwar, entschieden sei jedoch noch nichts.
Das Segment der Energie-Projekte, bei denen die Dillinger Hütte sehr aktiv ist, hält Blessing trotz der Verzögerung und Verschiebung von Projekten mittelfristig für sehr zukunftsträchtig.
Die saarländische Stahlindustrie beschäftigt 12 000 Mitarbeiter, davon rund 5500 bei der Dillinger Hütte und rund 6000 bei Saarstahl. Blessing kündigte an, diese Größenordnung auch langfristig beizubehalten. Foto: Maurer
Meinung
Zeit der
Bewährung
Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf
Die Dillinger Hütte und Saarstahl befinden sich nicht auf einer Insel der Seligen. Das Konjunkturtief hat auch sie erreicht. Zum Glück fertigt man hier Hightech-Produkte und keine Billig-Massenware. Sonst wäre die Lage gewiss schlimmer. Doch die hochgelobte neue Saarstahl-Schmiede entwickelt sich zu einem Sorgenkind. Dort droht Kurzarbeit. Auch die abflauende Autokonjunktur lässt die Umsätze schrumpfen. Vorstandschef Blessing steht vor einer Bewährungsprobe. Er darf weder in Aktionismus verfallen, noch sich und die Belegschaft in Sicherheit wiegen. Eine Stahlkrise kann schneller kommen, als man denkt.