Keine falschen Sehnsüchte nach einem fernen Japan

Saarbrücken. "Als Japaner ist es unwahrscheinlich schwierig, diese Oper zu spielen", sagt Toshiyuki Kamioka. Der SST-Generalmusikdirektor führt den Dirigentenstab bei Giacomo Puccinis "Madama Butterfly". Die Premiere (Regie: Dagmar Schlingmann) ist an diesem Samstag

 Kamioka, der aus Japan stammt, warnt vor Klischees. Foto: Dietze

Kamioka, der aus Japan stammt, warnt vor Klischees. Foto: Dietze

Saarbrücken. "Als Japaner ist es unwahrscheinlich schwierig, diese Oper zu spielen", sagt Toshiyuki Kamioka. Der SST-Generalmusikdirektor führt den Dirigentenstab bei Giacomo Puccinis "Madama Butterfly". Die Premiere (Regie: Dagmar Schlingmann) ist an diesem Samstag. Seit ihrer Uraufführung 1904 weckt die Liebesgeschichte "zwischen einem Leutnant und einer Geisha" (so die übliche Formulierung) diffuse abendländische Sehnsüchte nach dem fernen Japan."Diese Oper ist ganz und gar nicht japanisch, sondern typisch italienisch", stellt der aus Tokio stammende Kamioka klar und zieht Vergleiche zu Ravel: "Ravel war niemals in Spanien, hat aber mit dem Bolero die beste spanische Musik geschrieben." Von Puccinis Adaptionen japanischer Volkslieder für seine Butterfly freilich zeigt sich Kamioka weit weniger angetan: "Deshalb darf ich hier eben nicht japanisch denken." Die Oper erzähle "einfach eine rührende Geschichte, nicht nur für Japaner", das mache ihren Erfolg bis heute aus. Von Theorien, dass etwa der Liebestod der orientalischen Frau eine Projektion chauvinistischen westlichen Wunschdenkens sein soll, will Kamioka nichts wissen. "Puccini mochte unglückliche Frauen, das war seine Neigung, siehe Mimi aus La Bohème, Manon Lescaut, Tosca, Turandot. Butterfly ist eben zufällig eine japanische Geschichte." Und auch kein Zusammenprall einer materialistischen westlichen und traditionsverbundenen östlichen Kultur? "Das ist eine typische Sicht des in Deutschland verbreiteten Regietheaters", winkt Kamioka ab. Auch eine Geisha sei Cio Cio San "auf gar keinen Fall".

Bei Puccinis Musiksprache gerät der für seine feurigen Dirigate bekannte Taktstockmeister hingegen ins Schwärmen: "Puccini kann man niemals verwechseln." Vor allem fasziniere ihn die enge Verzahnung von Text und Musik; "Madama Butterfly" sei ein perfektes musikdramatisches Bühnenwerk. Keine Spur von Süßlichkeit oder Oberflächlichkeit. Puccini habe "sehr fein instrumentiert"; das wirke ähnlich spontan und mühelos und dennoch ausgearbeitet wie bei Mozart. Eine Seelenverwandschaft zu Puccini sieht Kamioka bei sich nicht: Als Musiker habe er zwar gelernt, "dem Komponisten so nahe wie möglich zu kommen", als Japaner sei er aber ein weitaus weniger emotionaler Mensch - was gleichfalls jeden Tag aufs neue harte Arbeit bedeute. Sein Ideal sei, einen "Fantasieraum" zu schaffen, in dem jeder Zuhörer Berührungspunkte und seine Interpretation finde. uhr

Premiere: Samstag, 19.30 Uhr, Karten: (06 81) 30 92 485

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