Keine Angst vor Europa

Meinung · Vielfalt ist sympathisch, wird aber zur Einfalt, wenn sie handlungsunfähig macht. Europa muss bei der derzeitigen Neuverteilung der globalen Macht selbst einen Block bilden, muss die Kraft seiner starken Volkswirtschaften und seiner rund 500 Millionen Menschen bündeln. Nur so können die Europäer ihren Einfluss behalten und darüber hinaus Positives bewirken

Vielfalt ist sympathisch, wird aber zur Einfalt, wenn sie handlungsunfähig macht. Europa muss bei der derzeitigen Neuverteilung der globalen Macht selbst einen Block bilden, muss die Kraft seiner starken Volkswirtschaften und seiner rund 500 Millionen Menschen bündeln. Nur so können die Europäer ihren Einfluss behalten und darüber hinaus Positives bewirken. Der EU-Vertrag trägt diesem Umstand Rechnung. Er macht Europa geschlossener, handlungsfähiger und damit stärker. Darüber hinaus ist er Ausfluss der Tatsache, dass die Gemeinschaft mit jetzt 27 Mitgliedstaaten an ihrer eigenen Größe zu ersticken drohte. Wenn es für diese Gefahr noch eines Beweises bedurfte, dann lieferten ihn die Beratungen über den Vertrag selbst: das egoistische Blockieren Englands, das populistische Agieren Polens, die Möchtegernegroß-Attitüde Italiens und Spaniens. Wahr ist, dass die einzelnen Nationalstaaten mit diesem Vertrag Souveränität abgeben. Doch dieses Argument weniger rechter und vieler linker Politiker, das gestern auch im Bundestag vorgebracht wurde, wird nicht konsequent durchgehalten. Sind es nicht gerade die Linken, die oft nach EU-weiten Regeln rufen, etwa nach Importstopps für Tropenholz und Robbenfelle? Die auf Klima-Richtlinien der Gemeinschaft setzen, um die deutsche Autoindustrie zu bändigen? Die zum Europäischen Gerichtshof gehen, wenn sie daheim nicht weiterkommen? Wer A sagt, muss auch B sagen. Im Übrigen macht der Vertrag aus dem lockeren Staatenbund Europa noch nicht sofort einen zentral geführten Bundesstaat. Eher ist Europa nun ein Mittelding zwischen Vereinigten Staaten à la USA und einem Staatenbund, wie es ihn vor Bismarck in Deutschland gab. Allerdings wird es in den nächsten Jahren darauf ankommen, in der Praxis durchzusetzen, dass den unteren Ebenen jene Entscheidungen vorbehalten bleiben, die dorthin gehören und die sie auch besser können. Wahr ist auch, dass die europäischen Institutionen weniger kontrollierbar und somit weniger demokratisch sind als die nationalen Parlamente und Regierungen. Doch das liegt nicht in erster Linie an den Institutionen, sondern an den Bürgern selbst, wie die Beteiligung an den Wahlen zum Europaparlament zeigt. Es gibt immer eine zeitliche Verzögerung zwischen einer neuen Situation und ihrer Akzeptanz im Leben. Sie zu verringern, ist eine wichtige Aufgabe der politischen Parteien und all derer, die an der Meinungsbildung mitwirken. EU-Politik ist Innenpolitik, das gilt es zu begreifen. Mit dem neuen Vertrag mehr denn je.

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